Murray, Paul
hat man die Tür hinter sich
zugemacht, von Mutter anhören muss, wie erfrischend das alles
ist. Also ehrlich, wenn man ihr so zuhört, dann könnte man glauben, dass die
verdammte Welt so was wie ein exklusiver Tennisclub ist, wo man lernt, was man
mit welcher Gabel isst, und wie man an seiner Rückhand feilt...«
»Vielleicht
solltest du ein Stück schreiben«, spöttelte Bel, während sie in ihrer
Unterwäscheschublade herumkramte.
»Ich
sollte ihr mal Bonetown zeigen«, sagte ich. »Mal sehen, was sie sagt, wenn sich
ihr einfacher Mann von der Straße mit ihrer Scheißhandtasche aus dem Staub
macht...«
»Jetzt
mach aber mal halblang! Ich bin in Bonetown gewesen, so schlimm ist es nun auch
wieder nicht.« Sie nahm einen Slip aus der Schublade, durchquerte das Zimmer
und baute sich vor mir auf. »Wie kommt es eigentlich, Charles, dass du jedes
Mal, sogar jetzt noch, wo du gar nicht mehr hier wohnst, gerade dann in meinem
Zimmer bist, wenn ich mich umziehen will?«
»Schon
gut, schon gut.« Ich zeigte mich einsichtig, zog mich auf den Flur zurück und
schloss die Tür hinter mir. Einen Augenblick lang schaute ich geistesabwesend
die Kartons an. Dann drehte ich mich um und machte die Tür einen Spalt weit
wieder auf. »Es ist übrigens wirklich so schlimm. Dieses ganze Getue in Harrys
Stück, die fröhlichen Armen, das Salz der Erde und diese Sprüche, das sind doch
alles Märchen. So eine Bande von zügellosen Drückebergern und Tagedieben hast
du überhaupt noch nie gesehen. Die demolieren, saufen und kotzen dir vor die
Haustür, das ist alles, was die tun...«
»Dann
musst du dich ja wie zu Hause fühlen«, lautete ihre Antwort. Dann hörte ich
das Klicken einer Haarspange.
»Vielleicht
sollte ich wirklich ein Stück schreiben«, brummte ich. »Damit ihr Typen in euren
Elfenbeintürmen mal ein bisschen aufgerüttelt werdet.« Mit lauterer Stimme
fügte ich hinzu: »Und diesem Scharlatan würde ich das eine oder andere unter
die Nase reiben!«
Nach ein
paar Sekunden bedeutungsschwangerer Stille hörte ich das Geräusch von nackten
stampfenden Füßen, dann stand sie an der Tür. »Eigentlich ist ja jedes Wort zu
viel, Charles, aber zu deiner Information, warum du Harry nicht das Wasser
reichen kannst: Er läuft mit offenen Augen durch die Welt. Er hat an verschiedenen
Orten gelebt und in allen möglichen Jobs gearbeitet und hat wirklich versucht,
die Menschen zu lieben. Er hat sich nicht die Ohren zugehalten und ist ganz
vernarrt in seine rubinroten Hausschühchen und will nur wieder zurück nach
Amaurot.«
»So wie er
heute aussieht, würde man das allerdings kaum vermuten«, sagte ich und legte
schützend eine Hand über meine Augen, um nicht ihre entblößten Beine ansehen
zu müssen. »Er brettert mit Vaters Mercedes rum, aufgetakelt wie ein
Landedelmann, als würde ihm das Haus gehören...«
»Das ist
sein Kostüm, du Idiot, für eine Szene, die wir
nachher proben. Außerdem habe ich ihm erlaubt, mit dem vergammelten Wagen zu
fahren, wenn er Lust dazu hat. Herrgott, seit zwei Jahren hat kein Mensch die
Kiste auch nur angeschaut...« Sie hörte auf zu reden, lehnte sich müde an den
Türpfosten und rieb sich mit dem Handballen die Augen. »Das ist wirklich
absurd, Charles. Ich werde jetzt nicht mit dir darüber streiten, wer von euch
beiden abgehobener ist, du oder Harry...«
»Natürlich
nicht, weil ich nämlich gewinnen würde«, sagte ich.
Wütend
schlug sie die Tür zu. Kurz darauf ging sie wieder auf. »Weißt du, was dein
Problem ist?«, fragte sie, während sie ihre Jeans hochzog und zuknöpfte. »Wenn
es nach dir ginge, wäre das Leben ein einziges endloses Frühstück
im Freien - Wein, Amuse gueules, sich räkelnde nackte Frauen. Und wenn
es dann nicht so läuft...«
»Spielst
du auf Manets Frühstück im Freien an?«
»Ja
natürlich Manet, was sonst? Und wenn es dann nicht so läuft, dann wirfst du
einfach die Arme in die Luft und denkst, das reicht dann schon ...«
»Nun ja,
irgendwas muss das Leben ja schließlich sein«, sagte ich milde. Tatsächlich
erschien mir der Gedanke an ein endloses Frühstück im Freien ziemlich
faszinierend. »Ich meine, ich muss mich in dem verdammten Leben ja einrichten.«
»Das ist
genau der Punkt, Charles«, sagte sie und wedelte zornig mit einer Sandale. »Du
glaubst, dass du es dir nur für dich allein da einrichten kannst. Und dann
erzählst du mir auch noch, dass ich in einem Elfenbeinturm lebe, während du
selbst den Elfenbeinturm, nämlich dieses
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