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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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auswickelte, mit stumpfen Instrumenten anpiekste und fragte, ob
das wehtäte. Tat es nicht, ich war zu sehr in Gedanken versunken. Ich dachte an
den grauen russischen Himmel und die wilde endlose Steppe und fragte mich, wie
es sich da wohl lebte, verglichen mit meinem trostlosen kleinen Verlies in
Bonetown. Ich brauchte also einen Augenblick, bis ich registrierte, dass der
Arzt gesagt hatte, die Verletzung sei ausgeheilt.
    »Was?«,
sagte ich und schreckte auf. »Geheilt?«
    »Sie
brauchen keinen neuen Verband«, sagte er. »Da muss jetzt frische Luft ran.
Sekunde, Sie können es sich gleich selbst mal anschauen.« Er nahm einen
Handspiegel aus einer Schublade und hielt ihn mir vors Gesicht. Tatsächlich,
der mich da anschaute, war Charles Hythloday. »Irgendwas nicht in Ordnung?«
    »Nein,
nein, es ist nur ...« Ich räusperte mich. »Kommt mir vor, als würde ich viel
älter aussehen als vorher.«
    Der Arzt
lachte und sagte, in ein paar Wochen wäre die Haut wieder straff. Dann schrieb
er mir ein Rezept für verschiedene Salben und Packungen. »Gutes Wetter für
Enten«, sagte er und nickte zum Fenster.
    Nach drei
Monaten mit feuchtklebrigen Verbänden hätte es etwas Besonderes sein müssen,
wieder Regentropfen auf dem Gesicht zu fühlen; nach so langer Zeit als Nobody
hätte es ein Ereignis sein müssen, wieder ich selbst zu sein. Aber ich konnte
nur an morgen und an Bel denken. Während ich durch die Thomas Street ging,
probte ich im Kopf leidenschaftliche Ansprachen, die ich ihr zu Ehren halten
könnte. Manche waren so aufwühlend, dass mir zunächst gar nicht auffiel, dass
das, was ich vage als Abkürzung hinter Christchurch Cathedral in Erinnerung
hatte, mich tatsächlich ins Labyrinth einer verfallenden Wohngegend führte. Als
ich meinen Irrtum erkannte und stehen blieb, um mich zu orientieren, hatte ich
mich schon heillos verlaufen.
    Ich
versuchte, auf gleichem Weg zurückzugehen, gelangte aber immer wieder zur
selben Stelle. Im Regen sah alles gleich aus, und ich traf auch niemanden, den
ich nach dem Weg hätte fragen können. Als ich mir dann die Gegend genauer
anschaute, hoffte ich allerdings, dass ich niemanden
treffen würde. Mir fiel die Geschichte von Pongo McGurks ein, der sich mal in
dieser Gegend verirrt hatte. Herumstreunende Jugendliche hatten ihm
aufgelauert, ein Taschenmesser an die Gurgel gehalten und gedroht, seine inneren
Organe nach Dubai zu verkaufen. Einer Eingebung des Augenblicks folgend, hatte
er ihnen erzählt, dass ihm als Jünger der Christian Science Organverpflanzungen
aus religiösen Gründen untersagt seien. Stattdessen hatte er sie dazu überreden
können, sich mit seiner Cartier-Uhr und ein paar Kreditkarten zu bescheiden,
die auf den Namen seines Vaters liefen. Weiß Gott, was sonst passiert wäre. Ich
geriet langsam in Panik und entschied mich wahllos für eine Straße, weil ich
mir so größere Erfolgschancen einräumte, als wenn ich planvoll versuchte,
einen Fluchtweg zu finden. Allerdings stellte sich auch das schnell als Irrtum
heraus, und ich war gerade wieder stehen geblieben und gestand mir ein, dass
die Lage doch ernster war, als ich zunächst angenommen hatte, als eine
grobknochige Hand aus der Dunkelheit schoss und mich in eine Seitengasse
zerrte. Bevor ich wusste, wie mir geschah, wurde ich zu Boden geschickt und
eine hagere Gestalt mit Kapuze über dem Kopf hüpfte mir auf die Brust. »Rück
die Kohle raus«, zischte er.
    »Tu mir
nicht weh!«, kreischte ich. »Ich bin gläubiger Amisch ... halt, nein ... ich
bin, verdammt, wie hießen die noch mal?«
    »Die Kohle«, knurrte
er.
    »Ja, ja,
schon gut«, brabbelte ich und kramte nach meiner Brieftasche.
    »Los,
Tempo!« Er schlug mir mit der flachen Hand ins Gesicht.
    »Aua!«,
jaulte ich, bekam schließlich die verdammte Brieftasche in die Finger, hielt
sie ihm hin und zog sie in letzter Sekunde wieder zurück. »Moment mal«, sagte
ich.
    »Keine
Tricks«, sagte er drohend.
    Ich schaute
ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Droyd?«
    Er hielt
inne. »Ja?«, sagte die Gestalt argwöhnisch.
    »Ich
bin's, du Idiot!«, wies ich ihn zurecht und stieß das Knie von meiner Brust.
Droyd war wie vom Donner gerührt. Er setzte sich auf und blinzelte mich
stumpfsinnig an. Mir fiel ein, dass er mich noch nie ohne Kopfverband gesehen
hatte.
    »Ich
bin's, Charles!«, führte ich aus. »Charles!«
    Er legte
kurz die Hand an die Stirn. »Oh, Scheiße.« Dann machte er sich ohne weitere
Rücksprache aus dem Staub.
     
    Als

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