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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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ich
schließlich nach Hause kam, waren in der Wohnung schon Umwälzungen im Gange.
    »Der
Hausbesitzer!«, brüllte mir Laura, die sich ins Badezimmer zurückgezogen
hatte, ins Ohr. Die Tür zum Wohnzimmer stand offen. »Er hat wieder wegen der
Miete angerufen.«
    Von
nebenan war ein lautes Krachen zu hören. »Ich dachte, wir hätten die Miete
bezahlt!«, brüllte ich zurück.
    »Er sagt,
dass er euch rausschmeißt!«, sagte Laura laut. Aufrichtig fluchend riss Frank
dem grotesk unförmigen Sofa die Rückenlehne ab. »Verdammtes ... Landei ...
Schwein ... Dreckschwein ...«
    »Was macht
er da?« Ich hielt mir die Ohren zu.
    »Zerdeppert
Sachen. Ist vielleicht besser, wenn du den Namen Droyd nicht erwähnst.« Sie
senkte die Stimme, als plötzlich Franks Kopf hinter dem Sofa auftauchte. »Was
ist mit Droyd?«, fragte er.
    Sie hatte
Recht: Die Neuigkeiten trugen nicht zur Beruhigung der Lage bei.
    »Scheiße,
Charlie«, jammerte er. »Das ist übel, das ist wirklich übel.«
    »Ja, ja,
ich weiß, kaum erfreut man sich wieder am Luxus des eigenen Gesichts, kriegt
man schon eine geballert...«
    »Wo ist er
hin? Hat er gesagt, wo er hin ist?«
    »Er hat
mich überfallen, da war keine Zeit, um
Höflichkeiten auszutauschen.«
    »Aber ...«
Er raufte sich verzweifelt die Haaren. »Wie hat er ausgesehen?«
    Ich dachte
darüber nach. »Ziemlich entschlossen«, sagte ich. »Hat sich ganz auf seine
Arbeit konzentriert...«
    »Nein,
Charlie, ich meine, hat er ausgesehen, als ob er wieder drauf ist?«
    Ich wusste
nicht recht, worauf er hinauswollte, und noch bevor ich das Rätsel lösen konnte,
war er schon in sein Zimmer verschwunden, kam eine Sekunde später mit einem
grünweißen Strumpf zurück und sagte, dass das Geld weg sei.
    Eigentlich
war alles weg, die ganze Wohnung war ausgemistet. Franks Ersparnisse, alles
Tragbare von Franks Schrott, das irgendeinen Wert besaß, sogar mein Sparschwein
hatte der Mistkerl mitgehen lassen. Mir kam der Gedanke, dass der Raubzug
angesichts seines Umfangs ziemlich Zeit in Anspruch genommen haben musste. Erst
jetzt dämmerte uns, dass die Miete dieses Monats, des letzten und vielleicht
sogar der Monate zuvor nie beim Hausbesitzer angekommen war. Frank ließ sich in
den Sessel fallen. »O Gott.« Er stöhnte, als drückte ihm jemand die Kehle zu.
    Das
Telefon klingelte.
    »Wenn ich
jetzt so drüber nachdenke ... die Geschichte von dem Hund, der ihn auf dem Weg
zum Postamt angefallen und mit der Überweisung für die Stromrechnung abgehauen
war ... ziemlich unwahrscheinlich...«
    Das
Telefon verstummte kurz, fing aber gleich wieder an zu klingeln.
    Frank
konnte die ganze Nacht nicht schlafen; ich wusste das, weil ich auch nicht
schlafen konnte. Ich saß bei Kerzenlicht am Küchentisch und hörte ihn nebenan
zwischen den Möbeln herumtrampeln wie eins von diesen schwerfälligen, antik
aussehenden Säugetieren - wie ein Dreizehenfaultier oder ein fünfzehiges
Schuppentier. Mein Stück lag zwar vor mir, doch irgendwelche Hoffnungen setzte
ich nicht mehr darauf. Lopachin hatte gewonnen, Frederick wusste das und ich
auch. Der Ruf des Weinguts war ruiniert. Lopachin hatte Frederick in scheinbar
inniger Umarmung mit Babs fotografiert und das Bild der Presse zugespielt. Das
Foto war natürlich eine Fälschung. Folgendes war tatsächlich geschehen: Babs
hatte im Glauben, Frederick würde nie mehr zurückkehren, Lopachin die Hälfte
des Anwesens überschrieben und sich dann in einem Anfall von Depression die
Treppe hinuntergestürzt. Mit großer Wahrscheinlichkeit hätte sie nicht überlebt,
wäre Frederick nicht zufällig früher von der Konferenz der Korkenproduzenten
heimgekehrt. Er fand Babs in der Diele auf dem Boden liegen und rettete ihr per
Mund-zu-Mund-Beatmung das Leben. Doch in den Händen Lopachins und seiner
ordinären Zeitungsfreunde ruinierte diese arglose Tat Fredericks Namen genau an
jenem Tag, als er der notorisch konservativen französischen Weinindustrie
seinen neuen Spitzenburgunder präsentieren wollte. Die teuflische Bösartigkeit
von Lopachins Komplott schien ihn so geschockt zu haben, dass er in eine Art
Betäubungszustand verfiel. Er saß den ganzen Tag in seinem Arbeitszimmer,
klebte Weinetiketten in sein Notizbuch oder spielte Backgammon mit den
Bosniern, als wolle er nur noch seine Zeit absitzen bis zum unausweichlichen
Ende. Es war deprimierend. Ich weiß nicht, warum ich das Stück nicht einfach
wegwarf und ins Bett ging. Vielleicht hoffte ich, einfach durch

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