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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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meine Bruyerepfeife an und studierte
die Tischgesellschaft. Mutter saß am Kopfende, mit dem Ehrengast Niall O'Boyle
zur einen und Harry in seiner widerlichen Landedelmannweste zur anderen Seite.
Neben Harry saß Mirela; sie länger anzuschauen, versagte ich mir. Neben Niall
O'Boyle saß eine Frau, die eine ziemlich unvorteilhafte lavendelfarbene Jacke
trug - seine persönliche Assistentin, wie man mir sagte. Dann sah ich den
wollenen Haarschopf von Geoffrey, dem alten Steuerberater unserer Familie.
Seit der Eröffnung von Vaters Testament hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Er
schien sich unwohl zu fühlen, als wäre ihm etwas im Hals stecken geblieben.
Seine und meine Stellung in der neuen Rangordnung waren klar; man hatte uns
glanzlose Plätze in der Mitte zugewiesen, da, wo die Tischgesellschaft in
Richtung johlender Schauspieler und Inspizienten abglitt.
    »Hast
wahrscheinlich gedacht, dass wir gar nicht mehr auftauchen heute Abend«, sagte
ich unbekümmert zu Bel.
    »Was ist das denn?«
Hustend rutschte sie mit ihrem Stuhl zurück. »Seit wann rauchst du Pfeife?«
    »Ach, im
Moment hab ich jede Menge Zeit. Aber, wie gesagt, fast hätten wir es nicht mehr
geschafft. Der ganze Tag war ein einziger Albtraum. Aber ich hab zu Frank
gesagt, das ist Bels letzter Tag - und wenn uns der Himmel auf den Kopf fällt,
ich bin da.«
    »Das
riecht ja widerwärtig«, brummte sie.
    Ich war
froh, dass sie mit mir redete, auch wenn sie nicht gerade Purzelbäume schlug.
Aber sie kam mir irgendwie abgehoben vor, und alles, was sie sagte, klang so
phrasenhaft, dass ich mir mehr und mehr wie ein Idiot vorkam, wenn ich ihr
antwortete. Wie ich es auch anpackte, ich konnte diesen Porzellanpanzer nicht
knacken. So war es mir nicht nur nicht möglich, zum Punkt Vergebung und den
vielerlei Reden vorzustoßen, die ich zu diesem Thema vorbereitet hatte, sondern
es fiel mir schon bald - nachdem ich Jessicas Kiddons Nachricht wegen des Taxis
ausgerichtet und ein bisschen Smalltalk über die Dekoration gemacht hatte -
rein gar nichts mehr ein, was ich ihr hätte sagen können. Ehrlich gesagt, war
ich ziemlich erleichtert, als Mutter sich erhob und mit einem Gabelzinken
leicht ans Glas schlug und mir klar wurde, dass Frank und ich zwar das Essen
verpasst, aber es gerade noch rechtzeitig zu den stumpfsinnigen Reden
geschafft hatten.
    »Heute
Abend«, hob Mutter an, »ist ein Abend des Aufbruchs und des Abschieds.
Einerseits ist der Anlass ein trauriger, weil wir, wenn auch nur für kurze
Zeit, unserer lieben Bel Adieu sagen, die morgen früh nach Russland reisen
wird. Doch im Wesentlichen ist es ein freudiges Ereignis, denn der heutige
Abend kennzeichnet den Beginn einer neuen Epoche, eines neuen Abschnitts in
der Geschichte dieses prächtigen alten Anwesens.«
    Wir
applaudierten pflichtschuldigst.
    »Auch
möchte ich die Gelegenheit nutzen, um mich zu bedanken - bei Telsinor Ireland
und vor allem bei Niall O'Boyle, dessen Weitblick und Sinn für soziales
Engagement - eine in der heutigen Geschäftswelt selten gewordene Eigenschaft -
eine so zentrale Rolle bei der Schaffung dieser einzigartigen Partnerschaft
gespielt haben.« Während sich Niall O'Boyle in der Bewunderung sonnte wie eine
Kroneidechse auf einem Felsen, forderte Mutter uns auf, einen Augenblick
darüber nachzudenken, was diese Partnerschaft, die morgen früh mit der
Unterzeichnung der Papiere besiegelt würde, für uns bedeutete. Sie skizzierte,
wie der alte Westflügel renoviert, das Theater erweitert und der schon lange
versprochene Unterricht für Kinder aus vernachlässigten Stadtteilen in Angriff
genommen würde. Und sie erklärte, dass mit der Unterzeichnung der Papiere - um
den persönlichen Aspekt anzusprechen - die Zukunft des Hauses in finanzieller
Hinsicht sichergestellt sei, was ihrem kürzlich verstorbenen Gatten trotz
jahrelanger Arbeit nie gänzlich gelungen sei... »Charles, hör auf so zu
zucken.«
    »Ich kann
nichts dafür, Geoffrey ist schuld, er stiert mich die ganze Zeit an. Er sieht
aus, als wollte er sich jeden Moment bekreuzigen.«
    »Dein
Gesicht, Charles«, flüsterte Bel mir zu. »Hast du dir dein Gesicht nicht
angeschaut? Du siehst ganz genauso aus wie ... Oh.«
    Mutter war
inzwischen beim Abschiedsteil ihrer Rede angekommen und bat Bel, aufzustehen
und sich zu verbeugen. »Unser Verlust ist Russlands Gewinn«, sagte Mutter.
»Bels Leidenschaft für das Theater stand immer außer Frage. Ich glaube kaum,
dass irgendein anderes Mädchen zu ihrer eigenen

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