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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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sagte Niall O'Boyle zu Mutter und kippte seinen Stuhl nach hinten, »ich
hab schon immer mit so einem alten Haus geliebäugelt. Wo ein Mann mal wieder
richtig über alles nachdenken kann.«
    »Ach Gott,
diese alten Kästen machen mehr Ärger als sonst was«, sagte Mutter lachend.
»Lassen Sie sich nicht täuschen. Es macht dermaßen viel Arbeit, sie in Schuss
zu halten. Nur an Abenden wie heute, da kommt so ein Haus wirklich zur Geltung.«
Doch während sie dies sagte, schweifte ihr Blick über das Mobiliar und die
Einrichtung, und ihre Augen funkelten vor Genugtuung.
    »Das
machen die slawischen Wangenknochen«, sagte O'Boyles Assistentin mit der
lavendelfarbenen Jacke, während sie Mirela betrachtete und dabei ihr Weinglas
streichelte. »Die sind so herrlich fotogen.«
    »Es heißt Der
verrostete Traktor«, sagte Harry zu Geoffrey. »Es geht
um eine junge Frau, die aus der Stadt in ein abgelegenes Dorf in Connemara
zieht, an einen dieser Orte, die noch total in der Vergangenheit leben, kein
Internetzugang, zwei Fernsehsender ... egal, jedenfalls zerstreitet sie sich
mit den Einheimischen, weil sie auf ihrem Land einen Mobilfunkmasten aufstellen
will, weil... ich weiß nicht, ob Sie schon mal im Westen waren, aber der
Empfang da ist wirklich das Letzte ... aber für die Leute da ist das so eine
Art Sakrileg, weil, na ja, Sie wissen schon, land , das ist da noch...«
    »Charlie!«,
rief eine heisere Stimme von der anderen Tischseite. »Worüber redet der?«
    »Ich
glaube, über Mobiltelefone«, sagte ich.
    »... es
entwickelt sich also ein Konflikt zwischen dem >neuen< Irland, dem Irland
der Technologie, der Kommunikation, der Gleichheit der Geschlechter und dem
alten Irland der Repression, des Aberglaubens, des Widerstands gegen den
Wandel, und das alles wird repräsentiert durch den verrosteten Traktor...«
    »Was macht
er da dauernd mit den Fingern?«
    »Das
sollen Gänsefüßchen sein, Anführungszeichen«, flüsterte ich. »Hör einfach nicht
hin. Ist sowieso kompletter Nonsens. Mobiltelefone - schon die Idee an sich ist
absurd. Kein Mensch will sich von einem Telefon nerven lassen, wenn er
unterwegs ist, nur deshalb geht er doch aus dem Haus.«
    »Hab das
Gefühl, in meinem Kopf geht 'n Blitzlicht los«, sagte Frank mit
zusammengebissenen Zähnen und hielt sich den Kopf.
    »Was?« Ich
schaute ihn an. Auf seiner Stirn stand Schweiß, und die Augen vollführten
dieses alarmierende Rollerückwärts-Kunststück. Er benahm sich heute definitiv
noch soziopathischer als sonst. Der Handytreffer musste irgendetwas
ausgestöpselt haben. »Schau dir bloß diesen Haufen Archlöcher an«, sagte er und
schaute mit finster grollendem Blick am Tisch entlang.
    »Iss deine
Trüffeln«, sagte ich hastig und zeigte auf seinen Teller. »Und vielleicht
solltest du jetzt nichts mehr trinken.« Ich kippte den Inhalt seines Glases in
mein Glas.
    Aus Angst,
unbescheiden zu erscheinen, habe ich es bislang nicht erwähnt, aber seit ich
mich gesetzt hatte, starrte Mirela mich an. Anfangs wehmütig, meaculpa-mäßig,
und nur wenn Harry woanders hinschaute, den ich im Übrigen höflich ignorierte.
Doch sie war hartnäckig: Je weiter der Abend voranschritt, desto dringlicher
wurden die Blicke, die sie von der anderen Tischseite zu mir herübersandte -
als wolle sie mir irgendeine Botschaft übermitteln, mittels eines Morsecodes
aus Zwinker- und Blinzelbewegungen, die schließlich den flehentlichen Blicken
dieser Stummfilmheldinnen ähnelten, die immer gefesselt auf den Bahngleisen
liegen. Doch jetzt, als die Uhr Mitternacht schlug, schien sie sich plötzlich
in ihr Schicksal zu fügen. Sie sank auf ihrem Stuhl zusammen, im gleichen
Augenblick summte ein Weinglas, und Harry erhob sich.
    »Freunde
... Freunde.« Er bat mit erhobener Hand um Ruhe. »Gestatten Sie, dass ich Ihnen
mit einigen wenigen Worten zur Last falle.« Seine tölpelhafte Frisur sah noch
verschlungener und ärgerlicher aus als sonst. An Evening of Long Goodbyes fing
an zu knurren. »Psst«, sagte ich. »Böser Hund, schön ruhig sein.« Als Mutter wieder
wegschaute, schob ich ihm eine Trüffel ins Maul.
    »Viel ist
heute Abend gesprochen worden von Visionen, von Wiedergeburten, von neuen
Anfängen...«
    »Grrrrrrrhhhh.«
Frank presste sich die Fäuste gegen die Schläfen.
    »Lassen
Sie mich also beim Thema des Abends bleiben«, fuhr Harry fort. »Ohne viel
Umschweife ... Es ist mir ein Vergnügen, Ihnen mitzuteilen, dass sich heute
Abend um halb neun Miss Mirela Pribicevic

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