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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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und augenblicklich
sprach sie über nichts anderes mehr. Sie entwickelte sich - Turbulenzen in
Herzensangelegenheiten ausgenommen - zu einem glücklichen Teenager. Ich nehme
an, dass für uns alle diese Jahre das goldene Zeitalter waren. Die Familie
gedieh, alles schien gesichert. Ich schockierte Vater, indem ich es bis zum
Kapitän des Cricketteams brachte, und dank der Unbeliebtheit dieses Sports in
Irland gewannen wir sogar einige wenige Spiele.
    Um die
Zeit, als meine kurze Universitätskarriere startete, begann die dem
Teenageralter schon fast entwachsene Bel wieder durchzudrehen. Der Arzt nannte
diese Zeit die »hysterischen Episode«. Während eines Zeitraums von etwa sieben
Monaten machte sie fast jede zweite Woche eine solche Episode durch. Diese
mitzuerleben war ziemlich Furcht erregend: Krämpfe und Tränen und Kotzen und
Stimmen. Sie lag schluchzend auf dem Bett, flehte uns um Hilfe an, konnte uns
allerdings nicht sagen, wie, was überhaupt los war oder was für Mächte das
waren, die sie attackierten. Der Arzt war nicht allzu besorgt; um diese Zeit
machte er sich schon mehr Sorgen um Vater, den er für Tests ins Krankenhaus
geschickt hatte. Diese Art von Labilität sei in Bels Alter nicht ungewöhnlich,
sagte er. Das sei kaum mehr als eine ziemlich extreme Spielart adoleszenter
Verwirrung, ein natürlicher Nebeneffekt des Erwachsenwerdens, kompliziert
durch ihre Neigung, alles anzuzweifeln und überzuanalysieren, durch ihre
fragile Beziehung zu Mutter und Vaters schwindender Gesundheit. Am besten sei,
man betrachte es als eine Phase der Anpassung; manche Menschen passten sich
leichter als andere an die reale Welt an. Er versuchte es mit verschiedensten
Dosierungen verschiedenster Medikamente und stellte sie von der Schule frei.
Schließlich wurde sie wieder normal, und jeder tat so, als sei nie etwas
passiert. Vaters Zustand hatte sich rapide verschlechtert, und das Haus war
voller weißer Kittel und seltsamer Apparaturen - es war einfach kein Platz
mehr da, sich auch noch um Bel Sorgen zu machen.
    Aber ich
konnte nicht vergessen. Manchmal, wenn wir uns stritten oder sie sich über
etwas aufregte, glaubte ich sie zu sehen, die Hysterie und die Angst, die nur
auf ihre Chance warteten; sie umschlossen Bel wie bei einer Sonnenfinsternis
der zitternde Lichtring die dunkle Scheibe. Was auch immer der Auslöser gewesen
war, Angst und Hysterie schienen inzwischen so sehr zu ihr gehören, dass sie
wohl nie mehr verschwinden würden. Deshalb nervte ich sie dauernd wegen der
Jungen, die sie mit nach Haus brachte, deshalb beunruhigte mich ihre in letzter
Zeit schwankende, sprunghafte Stimmung, die mir vorkam wie das zunehmende
elektrische Prickeln, das ein Epileptiker kurz vor einem Anfall spürt.
Vielleicht hatte sie das alles schon lange hinter sich gelassen - ich wusste,
wie sie es hasste, für heikel oder unsicher gehalten zu werden. Aber für mich
war die Erinnerung noch frisch. Vor allem anderen erinnerte ich mich an ihre
Angst, an diese schrecklichen Tage, wenn sie schon morgens von hemmungslosen
Weinkrämpfen gequält wurde und in ihren Augen die Angst stand, so riesig und
unfassbar, dass wir beide stumm vor Entsetzen waren.
     
    Die Bank
befand sich in einem etwa anderthalb Meilen entfernten Einkaufszentrum. Noch am
selben Nachmittag machte ich mich auf den Weg, um den Direktor zu sprechen. Ich
war mir sicher, dass Bel die Geschichte unnötig aufgeblasen hatte, aber ich
wusste auch, dass ich keine Sekunde mehr Frieden haben würde, bis die Sache
geklärt war. Zudem bescherte sie mir eine brauchbare Tarnung, um mich einer
anderen dringlichen Angelegenheit widmen zu können. Abkommen hin oder her, es
verschwanden immer noch Einrichtungsgegenstände; ich wollte mir ein paar Hintergrundinformationen
über unseren Freund, den Golem, besorgen.
    Nur selten
wagte ich mich so weit von zu Hause weg. Bel nahm das als weiteres Indiz für meine
»feudale Weltanschauung«. »Du betrachtest dich als Gutsherrn«, sagte sie. »Und
die Menschen da draußen sind deine Vasallen, mit denen du nichts zu tun haben
möchtest - du könntest dir ja was einfangen.« Aber das stimmte ganz und gar
nicht. Wie immer befiel mich auch jetzt, während ich vom Rücksitz des Taxis aus
sah, wie die stolzen Küstenstraßen und schattigen Alleen den einengenden
Vorstädten wichen, ein Gefühl der Platzangst und Bedrohung. Das Einkaufszentrum
mit seiner mir fremden, genormten Schäbigkeit jagte mir Angst ein: der mit
Preisnachlässen lockende

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