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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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einem provisorischen, aus
Cocktailspickern zusammengeklebten Dreifuß ein verschlossener Briefumschlag.
    »Tee?«,
hörte ich von irgendwoher seine Stimme.
    »Was geht
hier vor? Ist das etwa die Post von ihrer Tour?«
    »Moment,
ich setze eben den Kessel auf«, sagte der Postbote durch den Nebel. Ich setzte
mich an den Tisch und blätterte in den feuchten Briefseiten. Wie geht's
Onkel Harolds neuem Bein?... Bedauern wir Ihnen mitzuteilen zu müssen, dass
Ihre Bewerbung ... Wunderschöne und diskrete Mädchen ... Lieber Bazzer, beute
Morgen ist Mutter gestorben ...
    »Was soll
das? Was machen Sie hier?«, fragte ich ungläubig.
    Der
Postbote schaute über seine Schulter. »Angefangen hat's als Hobby«, sagte er.
»Und dann ist irgendwie was Größeres draus geworden. Wissen Sie, wenn's
irgendwo Probleme gibt, find ich gern die Lösungen dazu. Die Antworten. Das
Leben ist voll von Fragen. Und nur die wenigen Privilegierten kommen an die Antworten
ran.«
    »Aber Sie
können doch nicht...«
    »Es ist
wirklich erstaunlich, was die Leute in ihren Briefen so alles erzählen«, sagte
er nachdenklich.
    »Und diese
... diese abscheuliche Verletzung der Privatsphäre nennen Sie also Detektivarbeit?«
    »Auch wenn
Ihnen das nicht gefällt«, sagte er, während er eine Teetasse vor mir auf den
Tisch stellte und sich setzte. »Aber so kann ich Ihnen meine
Goldsiegel-Erfolgsgarantie geben.«
    »Hmm«,
sagte ich.
    »Also
dann, zum Geschäftlichen«, sagte er. »Als ich Sie da vor der Tür hab stehen
sehen, hab ich mir sofort gedacht: Der kommt bestimmt wegen dieser
Hypothekengeschichte.«
    »Ach ja?«,
sagte ich.
    »Ja. Ich
hab gedacht, vielleicht wollen Sie Ihren eigenen Tod vortäuschen oder so. Für
Leute in Ihrer Lage ist das nichts Ungewöhnliches.«
    »Nicht
dass Sie das irgendetwas anginge«, sagte ich überheblich. »Aber das Thema
Hypothek ist kaum der Rede wert. Ein Versehen, nichts weiter. Tatsächlich bin
ich gerade auf dem Weg zur Bank, um die Sache zu klären.«
    Er lächelte
nachsichtig. »Natürlich«, sagte er. »Schätze, dann hat sich das hier erledigt,
oder?« Er zog ein einzelnes Blatt aus dem Haufen und gab es mir. Das
Irelandbank-Logo in dem Briefkopf sah aus wie eine Kreuzung aus Euro-Zeichen
und Hakenkreuz. In dem an ein Inkassobüro adressierten Schreiben stand, dass
die Bank nun im Besitz der Rechtsvollmacht für den »nächsten Schritt« sei und
dass man in Kürze mit der »Beitreibung der Forderung« beginnen könne.
    »Ganz
recht«, sagte ich und schluckte. »Eine Lappalie.«
    »Dann
kommen Sie also wegen Ihrer Schwester«, sagte er grinsend.
    »Ja. Und
noch etwas, Luchsauge. Wenn Sie über meine Schwester reden, lassen Sie doch
freundlicherweise dieses lüsterne Grinsen, wenn's recht ist?«
    »Okay,
okay«, sagte er freundlich. »Trotzdem, ziemlich attraktives Mädchen. Eine
Schande, dass sie den Job nicht bekommen hat. Hätte gedacht, dass sie das
locker schafft.« Nachdenklich blies er den Atem aus, schlug seine Beine
übereinander und fummelte an einem Hosenaufschlag herum. »So ein Rückschlag
kann einen wirklich umhauen«, sagte er noch.
    »Ich weiß
nicht, wovon Sie reden.« Seine Allwissenheit fing an mich zu ärgern; es war,
als unterhielte ich mich mit dem Zauberer von Oz. »Und ich will es auch gar
nicht wissen. Zu diesen Mitteln zu greifen, bereitet mir alles andere als
Freude, ich würde es also zu schätzen wissen, Luchsauge, wenn wir strikt bei
der Sache blieben und Sie wenigstens so täten, als wüssten Sie nicht alles über
unsere Familie.«
    »Das ist
nur fair.«
    »Und noch
etwas ... Haben Sie keinen Namen? Das macht mich ganz irre, wenn ich dauernd
>Luchsauge< sagen muss.«
    Er rieb
sich das Kinn, seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Okay. Nennen
Sie mich MacGillycuddy.«
    »Also, zum
Geschäft.« Ich wedelte mir ein Loch Frischluft aus dem Dampf und erzählte
MacGillycuddy die ganze Geschichte von Franks plötzlichem und rätselhaftem
Auftauchen. Ich berichtete von seiner undurchsichtigen Vergangenheit und
seiner ebenso undurchsichtigen Gegenwart, von seinem verblüffenden Erfolg bei Bel,
dem Verschwinden diverser Gegenstände aus unserem Hausstand und dem
unheimlichen verrosteten weißen Lieferwagen.
    »Ich
verstehe nicht ganz, warum der Lieferwagen Sie so beunruhigt«, sagte er.
    »Weil
niemand weiß, was in dem Lieferwagen ist, darum.« Ich
erzählte ihm von der Fahrt zum Windhundrennen, als ich heimlich einen Blick in
den Laderaum geworfen und durch das

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