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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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schaute, der auf dem Platz neben ihr lag. »Das ist sehr
interessant, Charles, obwohl das für uns eigentlich nicht das zentrale Thema
war, das wir herausarbeiten wollten...«
    Sie biss
nicht an. »So ist das halt mit der Liebe.« Ich blieb hartnäckig. »Sie taucht
immer da auf, wo man sie nicht erwartet, auch wenn sie eigentlich nicht das
zentrale Thema ist...«
    »Mmm«,
sagte sie und drehte sich ganz zu mir um. »Ja, da hast natürlich Recht,
absolut. Das Gleiche gilt für Freundschaft, zärtliche Freundschaft, auch die
spielt in dem Stück eine wichtige Rolle. Die Art von Freundschaft, die Bel mit
ihrem Halbbruder verbindet.«
    »Mit
welchem?«
    »Dem, der
in der Frittenbude arbeitet.«
    »Ja, das
ist echte Freundschaft, stimmt«, sagte ich. »Aber echte Liebe war auch drin,
zum Beispiel zwischen dem Junkie und diesem Mädchen, das einfach nicht aufhören
kann, bei Marks und Spencer Sachen zu klauen...«
    »Ja, aber
hauptsächlich geht's doch um Freundschaft«, sagte sie heftig. Dann hielt sie
inne, und es machte sich eine verlegene Stille breit. Offensichtlich war sie zu
sehr beschäftigt mit ihrem großen Abend, als dass sie den wahren Kern meiner
Anmerkungen hätte begreifen können. Ach, zum Henker, wie sollte man so
delikate Augenblicke auch deichseln ohne die Hilfe eines intakten Gesichts?
    Die Stille
hielt noch eine Zeit lang an, dann sagte sie ruhig, aus heiterem Himmel: »Hast
du Harry kennen gelernt?«
    »Was?«
    »Harry, er
hat das Stück geschrieben. Hast du noch nicht mit ihm gesprochen?«
    »Ich habe
mit überhaupt niemandem gesprochen«, sagte ich trübselig. »Bel hat gesagt, ich
soll mich ja nicht blicken lassen. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie
mich in den Keller gesperrt.«
    »Oh. Also
los, dann lernst du ihn eben jetzt kennen«, sagte sie. »Er ist ein netter
Bursche, witzig und intelligent. Er wird dir gefallen, da bin ich sicher.«
    Vielleicht
war es falsch, sofort in die Defensive zu gehen. Aber ein Mann geht nicht über
zehn Runden mit Patsy Ole, ohne das eine oder andere über das dunkle Wirken des
weiblichen Geistes zu erfahren. Plötzlich kam sie mir viel zu aufgekratzt vor.
Konnte es sein, dass ihre Erziehung auf dem Balkan das Protokoll glühender
Liebeshändel noch nicht behandelt hatte? Konnte es sein, dass dieser Harry und
sein jämmerliches Stück sie so verwirrt hatten, dass sie unsere zarten
gemeinsamen Momente im Turm einfach vergessen hatte?
    »Kaum«,
erlaubte ich mir zu sagen.
    »Was?«
    »Ich
glaube kaum, dass er mir gefällt«, sagte ich. »Dieser Harry.«
    Sie brach
in lautes Gelächter aus. »Sei nicht albern. Ich bin absolut sicher, dass er dir
gefällt. Außerdem kannst du dich nicht die ganze Nacht hier verkriechen.« Ohne
mir in die Augen zu schauen, packte sie mich am Handgelenk und zog mich vom
Stuhl hoch. Mit jedem Meter, den sie mich durch die Halle zog, steigerte sich
meine Untergangsstimmung. Ich kam mir vor wie ein alter Hund, den man zum
Tierarzt zerrte.
    Vaters
Porträt war wieder aufgehängt worden, direkt neben der Tür zum Musikzimmer.
Darunter prangte eine Plakette mit der Inschrift Ralph
Hythloday Centre for the Arts - als wäre das alles seine Idee
gewesen. Sie hatten ihn am Wickel. Kurz trafen sich unsere hoffnungslosen
Blicke, dann hatte Mirela mich schon vorbeigezogen. Die Party wartete.
    Die
Gesellschaft war inzwischen etwas ausgedünnt. Mutter stand gleich neben der Tür
mit dem Rücken zu uns und hielt Hof für zwei Schreiberlinge. Der Herr mit dem
roten Gesicht war noch etwas röter geworden; er und seine Kumpane standen in einem
etwas ausgefransten Halbkreis am Klavier und schmetterten irgendeinen
grässlichen Schlager. Hinter ihnen lugte MacGillycuddy in den alten
Speisenaufzug.
    »Was macht
der eigentlich hier?«, sagte ich. »Was soll denn das für ein Theater sein, das
einen MacGillycuddy als Berater braucht?«
    »Mmm? Oh,
er ist...« Sie hielt inne und runzelte die Stirn. »Tja, das weiß ich eigentlich
auch nicht. Irgendwie war er einfach da ... Oh, da ist ja Harry!« Sie winkte
fröhlich einer Gruppe Schauspielertypen in der Ecke zu. Mein Herz rutschte mir
in die Hose, als ich erkannte, dass - wie ich schon befürchtet hatte - Harry
und der ärgerliche Kerl mit der Avantgardefrisur ein und dieselbe Person waren.
    Bel hatte
sich an seinem rechten Arm eingehakt, und geschmeidig fädelte sich Mirela
links bei ihm ein.
    »Nun ja,
ich würde Feuer frei! nicht in erster Linie als Theaterstück
bezeichnen«, sagte er gerade. »Eher

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