Murray, Paul
grad an was gedacht«, sagte Frank. »Nicht dass es dir am Ende wie
Batman geht. Nimmst das ganze Mullzeug runter und siehst dann auf einmal aus
wie dieser durchgeknallte Joker.«
»Nein,
nein«, sagte ich. »Ich bin guter Dinge, dass das nicht passieren wird.«
Er stupste
mir verschwörerisch in die Seite. »Du, da im Krankenhaus, da warn doch sicher
'n paar affenscharfe Schwestern unterwegs, oder?«
»Mmm«,
sagte ich und wünschte mir einen Schleudersitz, der mich aus diesem Gespräch
herauskatapultieren würde. Warum ging er ausgerechnet mir auf den Wecker? Warum
befummelte er nicht Bel?
»Tja ...
wie hat doch mein alter Herr immer gesagt? Gibt nur zwei Sachen im Leben, auf
die man sich verlassen kann - den Tod und Krankenschwestern.« Diesem weisen
Spruch ließ er einen langen Seufzer folgen, und ein merkwürdiger Ausdruck
huschte über sein Gesicht. Mich befiel die beunruhigende Ahnung, dass in seinem
monolithischen Innenleben eine tiefe melancholische Saite angeschlagen worden war.
Ich überlegte, ob ich mich verdrücken sollte, als er sich den Bauch kratzte
und mich beiläufig fragte, ob Bel mal mit mir über ihn gesprochen habe.
Ȇber
dich?« sagte ich. »Mit mir?«
»Ist nicht
so wichtig«, sagte er schnell. »Ist bloß so, dass ich sie die letzten Wochen
nicht so oft gesehen hab.«
Ich kramte
in meinem Gedächtnis und meinte mich an etwas in der Art von »Frank,
bäh!« erinnern zu können, als sie mich im Krankenhaus besucht
hatte. Ansonsten hatte sie ihn oder auch ihre Wohnungssuche mit keinem Wort
erwähnt. Ich schaute hinüber in die Ecke, wo sie mit den Theatertypen
zusammenstand, und dann wieder zu Frank. Mir fiel auf, dass er den ganzen Abend
noch keinmal versucht hatte, sie zu befummeln oder einen Blick in ihren
Ausschnitt zu werfen.
»Ich frag
mich, was los ist«, sagte er verdrießlich. »Immer wenn ich anruf, hat sie
irgendwas zu tun, muss irgendwelche Kabel verlegen oder lernt ihre Sätze
auswendig oder hat irgend 'ne Besprechung. Meistens kommt sie nicht mal ans
Telefon.« Ein schwach glänzender Schweißfilm zeigte sich auf seiner Stirn und
ein hoffnungslos verlorener Blick in seinen Augen. Ich verspürte das dringende
Bedürfnis, ihm einen Hundekeks hinzuwerfen.
»Sie hat
halt zu tun«, sagte ich. »Das ist alles. Dieses jämmerliche Theater hält sie
auf Trab. Ich bin sicher, dass sie sich bald wieder fängt.«
»Charlie«,
flüsterte er. »Was soll das eigentlich, mitten in euer Haus ein Scheißtheater
reinzubauen?«
»Keine
Ahnung«, sagte ich knapp. »Ich war im Krankenhaus und das Haus voller Frauen.
Da ist alles möglich.« Verlegen trat ich von einem Fuß auf den anderen. Er
machte mich nervös. Während er redete, ging mir der Gedanke durch den Kopf,
dass heute Abend auch zwischen mir und Bel eine gewisse Kühle herrschte. Ein
nicht eingeweihter Beobachter hätte meinen können, dass Franks und meine Lage
sich ziemlich ähnelten. »Ich werde ein Wörtchen mit ihr wechseln, okay?«, sagte
ich zu Frank. »Ich krieg raus, was da los ist. Aber ich bin sicher, dass du dir
keine Sorgen zu machen brauchst. Diese Geschichte mit dem Theater kann nicht
lange dauern. Du kennst doch Bel, nach ein paar Wochen wird ihr alles
langweilig.«
Ich hatte
den Satz kaum beendet, da wurde mir seine ganze Bedeutung klar. Frank schaute
mich entsetzt an. »Ich meine...« Es hatte keinen Sinn, ich hörte mich an, als
schnürte mir jemand die Luft ab. Keine Sekunde länger hielt ich es aus. Eine
Entschuldigung stammelnd, drehte ich mich um und floh. Ich sah, dass Mrs P
ihren Platz verlassen hatte, ohne eine Wache zu postieren. Ich schlüpfte hinter
die Bar und stopfte mir, ohne recht zu wissen, warum, die Taschen mit Kanapees
voll.
Wie sich
herausstellte, kam ich nie dazu, dieses Wörtchen mit Bel zu wechseln. All diese
unbewachten Flaschen verwirrten mich. Um meine Nerven wieder auf normal zu bringen,
verabreichte ich mir gerade einen doppelten Hennessy, als ich einen eisigscharfen
Luftzug spürte und eine Stimme hörte, die sagte: »Ah, da bist du ja, Charles.«
Auf einen
Zug kippte ich meinen Drink und drehte mich langsam um.
»Ich muss
schon sagen, für einen Menschen mit einem derart übersichtlichen Tagesablauf
bekommt man dich ziemlich schwer zu fassen.«
»Ha, ha«,
sagte ich lahm und hielt Ausschau nach einem Fluchtweg. Ich sah keinen. »Nun,
hier bin ich.«
»In der
Tat«, sagte Mutter und lächelte ihr stählernes Lächeln.
Weiß der
Himmel, was sie im Cedars mit ihr angestellt
Weitere Kostenlose Bücher