Murray,Paul
Flur voller Gemälde
in eine luftige Küche mit einer Glaskuppel, wo eine hochgewachsene, leicht
grimmig blickende Frau in einem schwarzen Kleid Zucchini klein schneidet.
Skippy wischt sich die Handflächen an der Hose trocken und will ihr die Hand
geben, doch Lori tänzelt glatt an ihr vorbei und durch eine Glastür: »Hey!,
Mom, schau mal, wer da ist!«
Die Frau, die da ausgestreckt auf dem Diwan liegt, ist
Loris Ebenbild: die gleichen faszinierenden grünen Augen, das gleiche
kohlschwarze Haar. »Ach du meine Güte!« Sie legt ihre Zeitschrift weg und
schwingt die bloßen Füße auf den Fliesenboden. »Da haben wir den jungen Mann
ja! Das ist also der berühmte -«
»Daniel«, sagt Lori.
»Daniel«, wiederholt Loris Mum. »Also dann, herzlich
willkommen bei uns, Daniel.«
»Danke, dass ich kommen durfte«, nuschelt Skippy. Fast
hätte er es vergessen: »Ich habe ein paar Pralinen mitgebracht.« Er gibt Lori
die Schachtel, die in dieser Kathedrale von Wintergarten wie ein Fliegenschiss
wirkt; dennoch machen beide Frauen einstimmig Ohhhh.
»Er ist zum Reinbeißen«, verkündet Loris Mum und lässt
ihre Fingerspitzen über Skippys Wangen gleiten.
»Kriegen wir einen Schluck O-Saft?«, fragt Lori.
»Aber natürlich, Herzchen«, sagt ihre Mum und ruft der
Frau in der Küche durch die offene Tür zu: »Lilya, bring den jungen Leuten
einen Schluck Saft, ja?«, kniet sich dann vor Skippy hin, sodass ihr Parfüm ihm
in die Nase steigt und er kaum mehr umhin kann, ihr in den Ausschnitt zu
gucken. »Schön, dich endlich kennenzulernen«, raunt sie für alle vernehmlich.
»Ich wusste doch, dass es da jemanden gibt. Auch wenn Lori immer wieder behauptet
hat, ich läge falsch.«
»Moni«, stöhnt Lori.
»Du wirst es kaum glauben, junge Dame, aber ich war
auch mal ein Teenager. Ich kenne die Tricks.«
»Mom, jetzt geh schon und mach ein bisschen Pilates
oder sonst was«, drängt Lori und steuert die Küche an.
»Schon gut, schon gut ...« Sie hält ihrer Tochter lange
genug Stand, um Skippy von Kopf bis Fuß zu mustern und erneut zu erklären:
»Oh, er ist einfach zum Anbeißen«, dann verzieht sie sich lachend wieder
auf ihren Diwan.
»Tschuldigung, ich hätte dich warnen sollen«, sagt
Lori. »Meine Mom ist die absolute Flirtkanone.« Sie greift nach einem der
beiden Gläser mit 100% Markenorangensaft, die wie aus dem Nichts neben einem großen Teller
Schokokeksen auf der Arbeitsfläche bereitstehen, und schenkt Skippy ein
strahlendes Lächeln. »Komm, wir machen die Schlossbesichtigung.«
Das Haus nimmt kein Ende. Jeder Raum führt in einen
noch größeren, alle wirken mit ihren Bildschirmen und Skulpturen und
Stereoanlagen wie aus Aladins Schatzhöhle. Skippy folgt Lori, hört mit halbem
Ohr auf ihr Geschnatter und fühlt sich glücklich, aber auch seltsam, wie ein
Schatten, der bei einem Wettbewerb gewonnen hat und nun einen Tag lang ein
richtiger Mensch und nicht bloß ein verschwommener Umriss am Boden sein darf
-»Und das ist mein Zimmer«, sagt sie.
Das reißt ihn aus seinen Träumereien. O Mann! Es ist
keine Einbildung! Sie sind in Loris Schlafzimmer. An den rosa gestrichenen
Wänden hängen typische Mädchenposter - zwei Pferde, die Köpfe
aneinandergeschmiegt, Sad Sam, der bekümmerte Plüschhund, ein Puttenbübchen,
das einem Puttenmädchen einen Kuss raubt, Bethani in einem beinahe, aber dann
doch nicht komplett durchsichtigen Badeanzug und noch mal, auf einem Bild aus
einer Zeitschrift, Hand in Hand mit ihrem Freund, dem Typen von Four to the
Floor. Auf dem Toilettentisch steht ein Foto von Lori, der schönen Mutter und
einem Mann, der wohl Loris Dad ist und aussieht wie GI-Joe, aber aus Holz und
im Anzug; ein Trio, so perfekt wie auf dem Musterbild, das immer beim Kauf
eines Rahmens dabei ist.
»Komm, wir gucken Femsehen!«, sagt sie. In ihrem Zimmer
steht ein Apparat, doch sie ist schon auf dem Weg nach unten zu einem der
Wohnzimmer, wo sie sich einen guten halben Meter von ihm entfernt aufs Sofa
setzt, die Katze zusammengerollt auf dem Schoß, und die Füße (in Sneakersocken)
gemüdich unter ein Kissen gesteckt. Im Femsehen laufen die Simpsons. Skippy fragt sich, ob er Lori oben hätte küssen sollen. Sie hat nicht
den Eindruck gemacht, als würde sie es von ihm erwarten. Sollte er sie also
jetzt küssen? Sie scheint von der Sendung ziemlich gefesselt zu sein. Mist,
vielleicht ist das hier gar kein Date! Vielleicht sind sie bloß Freunde!
»Und, gehst du immer noch zum Schwimmen?«, fragt
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