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Murray,Paul

Murray,Paul

Titel: Murray,Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 2)
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zu hören. »Wer macht den Anfang?«
    Niemand
sagte etwas. Howard schaute angelegentlich in die Tiefe - ganz ähnlich, wie er
immer seine Fingernägel musterte, wenn der Lehrer der Klasse eine Frage stellte
-, bis ihm schwindlig wurde und er von der Kante zurückweichen musste. Guido
trat von einem Fuß auf den anderen.
    »Was ist?
Ich sage euch, das ist hundertprozentig sicher. In Australien machen sie das
schon seit Jahren. Aber kein Problem, wenn ihr zu viel Schiss habt, dann zieht
Leine und wartet da hinten bei den Mädchen.«
    Immer noch
keine Antwort. Das Meer toste; Nachtvögel stießen Rufe aus; der Wind heulte.
    »Mannomann!«,
rief Guido. »Wo ist das Problem? Seid ihr alle Schwuchteln oder was?«
    »Scheiß
drauf -« Tom trat vor und griff nach dem Gurtzeug, exakt gleichzeitig mit Steve
Reece, woraus sich eine neue, lautstarke Auseinandersetzung über die Frage
entspann, wer nun als Erster an der Reihe war.
    Schließlich
wurde als fairste Lösung beschlossen, das Los entscheiden zu lassen.
    Tom zog
einen teuer aussehenden Füller aus seiner Jacke und schrieb die sechs infrage
kommenden Namen auf den Flyer eines indischen Restaurants. Trotz seiner
nachlässigen Handschrift hatte die Liste etwas Schicksalsschweres an sich;
niemand sprach, als er sie an Guido weiterreichte, der sie in Streifen riss,
die Schnipsel zusammenknäuelte und in seinen Motorradhelm fallen ließ. Mit
geschlossenen Augen griff er hinein und fischte ein einzelnes Papierkügelchen
wieder heraus. Alle sechs gaben sich demonstrativ gelangweilt. Guido strich
den Papierfetzen glatt und hielt ihn der Runde auf der offenen Handfläche hin.
     
    Howard
     
    »Na
schön«, sagte Howard gepresst.
    Guido
griff nach dem klimpernden Gurtzeug.
    »Viel
Glück«, sagte Bill O'Malley. Farley nickte Howard stumm zu; seine Miene wirkte
fast schon parodistisch schuldbewusst.
    Die
anderen knufften ihm in die Schulter und rangen sich ein paar Silben ab: »Gut
so, Fallon.«
    Benommen
hob Howard die Arme und ließ sich das Gurtzeug anlegen. Neben ihm erteilte
Guido letzte Anweisungen: »... elastisch ... letzten Moment ... Adrenalin ...«
Doch er nahm nichts wahr außer seinen tauben Fingern und seinem dröhnenden Herzschlag,
nichts außer dem Wind, der unter ihnen wütete wie ein verwundetes, wildes Tier,
und den düsteren, versteinerten Gesichtern der anderen Jungs, die eine fatale
Ähnlichkeit mit der vordersten Reihe der Trauergäste bei seiner Beerdigung
hatten ...
    »Keine
Bange.« Guido schob sich wieder in sein Sichtfeld. »Es kann absolut nichts
schiefgehen.«
    Howard
nickte und schleppte sich wie ein frisch der Tiefkühltruhe Entstiegener vor
zur Kante.
    Der
gähnende, brodelnde Abgrund vor seinen Zehen: eine einzige große Schwärze, die
nichts Irdisches an sich hatte, vielmehr einem Gestalt gewordenen Grauen
glich, das über den menschlichen Verstand ging -
    »Fertig
...« Guido an seiner Seite.
    - und, wie
ihm schlagartig klar wurde, seiner eigenen Zukunft glich -
    »Und ...
los!«
    Howard
rührte sich nicht.
    »Was
ist?«, fragte Guido.
    »Nichts,
ich brauch bloß noch kurz, um ...« Er ging in die Knie, die Karikatur eines
Turmspringers.
    »Kleiner
Schubs gefällig?«, schlug Guido vor. Unwillkürlich trat Howard zur Seite und
hob abwehrend die Hand. »Was jetzt?«, drängte Guido. »Springst du nun, oder
springst du nicht?«
    »Okay,
okay ...« Howard trat erneut bis zur Kante vor, schloss die Augen, biss die
Zähne zusammen.
    Der Wind
in den Bäumen, wie Sirenengesang.
    »Was ist
los da drüben?« Die Stimme des Mädchens klang, als käme sie vom anderen Ende
der Welt.
    »Fallon
will nicht springen«, sagte Steve Reece. »Scheiße noch mal, jetzt komm schon,
Fallon, ich frier mir hier den Arsch ab.«
    »Ja,
genau, Fallon, komm schon.«
    »Er muss
nicht springen, wenn er nicht will«, hörte er Farley sagen.
    »Scheiße noch mal«, wiederholte Steve Reece
heftig - und dann zerrte eine Hand Howard von dem Steilhang weg.
    »Herrgott,
dann mach ich's eben.« Tom
schnallte ihm das Gurtzeug ab; Howard ließ ihn gewähren, schnappte nach Luft,
als wäre er soeben aus dem Meer gezogen worden, stolperte dann, befreit, auf
Beinen aus Wackelpudding davon und sackte in sicherer Entfernung auf einem
Grasfleck zusammen, immer noch zu durcheinander, um Scham zu empfinden.
    »O Mann,
Howard,« sagte Paul Morgan. »Du elender Schlappschwanz.«
    »Howard
Hasenherz«, sagte Tom, während er das Gurtzeug anlegte.
    »Howard
Hasenherz!« Steve Reece lachte

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