Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
und Harald dackeln hinter uns her.
» Hör mal, Jana …«, setzt Kurt an.
» Danke, Kurt, du brauchst Andi nicht zu decken.«
Ich sag’s ja. Zwecklos. Kurz vor unserem Hotel bleibt Harald stehen.
» Oh nein! Ich hab meinen Regenschirm vergessen. Bestimmt liegt der noch an meinem Platz. Ich hole ihn, wartet nicht auf mich.«
Hatte er einen dabei? Etwa gegen die Luftfeuchtigkeit? Egal.
» Jana …«
Sie ist schon die Treppe hochgerauscht. Bedröppelt schleiche ich aufs Zimmer.
Zu Mutti.
Sonntag, 15. Februar
KULTURLAUB IN PHNOM PENH C
Diese Nacht hat mir eine neue Erkenntnis gebracht: Anscheinend bin ich noch zu doof zum Stolpern! Ich meine, andere geraten in Schlaglöcher, straucheln, kommen aber wieder in die Spur. Ich dagegen sehe die Fettnäpfchen erst gar nicht, laufe blindlings weiter und stürze dann am Ende der Straße in einen Fettnapf, ach was: Fettkrater. Ja, und dann liege ich da unten wie ein Käfer auf dem Rücken, strample wie blöde, komme allerdings nicht mehr auf die Beine. Jedenfalls nicht aus eigener Kraft.
Wirklich, so hilflos fühle ich mich. Traurig bis enttäuscht, ja genervt bin ich ins Bett gegangen, wollte niemanden mehr sehen und hören. Und jetzt, beim Aufstehen, empfinde ich das immer noch so. Insofern habe ich Glück, dass kein Programm auf dem Plan steht und ich beim Frühstück nur meine Familie sehen muss. Nur meine Familie! Eigentlich ein fragwürdiges Glück, doch sie vermitteln eine Geborgenheit, die mir gerade recht ist.
Dennoch, ich muss bei den dreien immer achtsam bleiben: weil Verwandte wie Setzlinge sind. Eingepflanzt, um einem als Sonnenblumen zu erblühen. Doch ehe man sich’s versieht, schießen sie plötzlich als Unkraut aus der Erde.
Auf dem kurzen Weg zum Frühstückscafé hämmert überlauter Gesang gegen mein Trommelfell. Wir schlendern in eine Seitenstraße, aus der uns eine bunte Hochzeitsgesellschaft entgegenschallt. Die Frauen tragen brokatseidene Kleider in allen Farbnuancen, die an einen Bollywood-Film erinnern.
Leute, warum der Krach so früh am Morgen? Warum überhaupt?
» Wenn die sich eines Tages nicht mehr vertragen, dann war das doch alles für die Tonne«, brumme ich. » Von den Kosten ganz zu schweigen.«
» Gelaber!« Antje tippt sich mit dem Zeigefinger an die Stirn. » Du hast doch keine Ahnung.«
Unkraut, sag ich doch.
» Die Braut weiß: Er ist der Richtige! Sie spürt, dass aus ihrer Beziehung noch viel mehr wird, dass die Hochzeit erst der Anfang ist. Er liebt sie und meint es aufrichtig mit ihr.«
Na okay, romantisches Unkraut.
Meine Augen öffnen sich endlich, ja weiten sich, als sie dieses Frühstücksbuffet sehen: Pancakes, Rührei und Käsekuchen. Wir sitzen auf gemütlichen Rattanmöbeln, die noch dazu beitragen, es auch genießen zu können. Palmenpflanzen grenzen die Straße ab, ein goldener Buddha lehnt vor einer Bambuswand. Na, der ist also auch satt geworden.
» Kinder, lasst uns jetzt die Stadt erkunden!« Bereits nach einem Käsetoast ist Mutti nicht mehr hungrig. » Kommt, ich bin jetzt in einem Alter, in dem ich keine Zeit mehr vertrödeln will.«
Immer diese Drängelei beim Essen! Schon als Baby, an ihrer Brust, hatte ich kaum Zeit zu trinken. Ich musste wohl noch was für die nächsten Geschwister übrig lassen. Den Schnuller habe ich damals allerdings aus Prinzip wieder ausgespuckt, da kam ja nichts raus. An einer Bierflasche nur rumzunuckeln, das wäre ebenso töricht.
Silberschmuck, überall Silberschmuck. Phnom Penh scheint ein Eldorado der Edelmetall-Produktion zu sein. Das Angebot an Ketten, Ringen oder Armreifen wetteifert von Shop zu Shop. Umso schleichender komme ich mit drei Frauen durch die Geschäftsgassen voran. Und noch schleppender, da die Sonne bereits wieder gehörig einheizt. Selbst das Thermometer neben einer Geschäftstür scheint zu schwitzen, zeigt über 30 Grad an. Tendenz steigend.
» Maul nicht, die haben ’ne Klimaanlage.« Kristin erahnt meine Beschwerde und erstickt sie im Keim.
Okay, es hätte schlimmer kommen können. Ich hätte die Auslagen auch mit meiner Exfreundin ansehen können. Besser gesagt: müssen. Bei meinen Schwestern und Mutti brauche ich wenigstens kein Grundinteresse zu heucheln.
Hinter der Theke sitzt ein Verkäufer ungerührt auf einer Bananenkiste und trinkt Tee.
Ich fixiere ihn. » Frauen!«
Wie ein einladender Teppich wirken die gut hundert Meter gepflegter Rasen, dahinter türmt sich das Nationalmuseum auf. Die Schlange am Ticketschalter ist recht
Weitere Kostenlose Bücher