Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
kurz, ich trotte hinter meinen Schwestern durch den Eingang.
Auch hier reizt mich das Angebot kaum, wenigstens kann man die ausgestellten Stücke nicht kaufen. Neben einem Pfeiler schnaufe ich durch und halte mir eine eiskalte Coladose erst an die Wange, bevor ich sie zischend öffne. Herrlich erfrischend.
Reliefs, steinerne Gottheiten und mythische Skulpturen, so Sachen stehen um mich herum.
Und schwitzende Touristen.
» Wenn Sie endlich ein Stück zur Seite gehen, haben wir alle etwas davon!«
Ohne es zu bemerken, habe ich mich zwischen die Touristengruppe und einen Ventilator gestellt. Schnippisch wischt sich ein Fettklops die Schweißperlen von der Stirn. Die anderen nicken zustimmend und fächern sich gespielt Luft zu.
Alles klar! Studienreisende und solche, die sich dafür halten. Solche Leute kann ich überhaupt nicht leiden, und so reagiere ich auch. » Toll, deutsche Besserwisser! Eure rechthaberischen Sprüche haben mir gerade noch gefehlt!«
Ich habe schon schlechte Laune, und dann terrorisieren die mich auch noch. Der Dicke hört auf, mit dem Taschentuch in seinem Gesicht herumzutupfen. Auch die anderen schauen erstaunt.
» Waas gibt’s zu glotzen?«
Vielleicht bin ich noch gereizt wegen Jana, die ich heute noch gar nicht gesehen habe. Vor allem aber nerven mich solche Urlauber! Die sind doch total verspannt!
Diese Bücherwürmer glauben wohl, mit einem Kulturlaub ihren Horizont erweitern zu können! Dabei sollten sie lieber mal am Ballermann relaxen, das wäre für sie eine handfeste Horizonterweiterung, das würde ihre festgefahrene Spießigkeit entkrampfen! Denn was nützt ihnen der Ortswechsel, wenn sie nicht auch ihre Einstellung ändern?
» Ihr seid hier nicht in Deutschland. Also braucht ihr euch auch nicht so zu benehmen.«
Ich leere die Dose, zerquetsche sie in der Hand und entferne mich grußlos.
» Sie haben schlechte Manieren«, ruft mir eine ältere Dame hinterher.
Für den Moment hat sie sicherlich recht.
Die Sonne ist wirklich grell. Ich muss blinzeln, als wir aus dem Nationalmuseum schlendern. An der nächsten Straßenecke umringen uns direkt mehrere Tuk-Tuk-Fahrer, die ihren Chauffeurdienst anbieten. Tuk-Tuks sind Motorräder mit Anhängern, auf denen sich jeweils zwei Personen gegenübersitzen können. Oder eben die Wildecker Herzbuben alleine.
Die Männer grinsen und machen einladende Armbewegungen zu ihren Fahrzeugen.
» Wir laufen«, bestimmt Mutti.
Ich ächze. » Och nee, die wollen doch auch ihren Verdienst haben. Echt jetzt, bei der Hitze laufen doch nur Kamele freiwillig durch die Gegend.«
» Kommt Kinder, sonst bewegen wir uns ja gar nicht mehr.« Sie geht einfach drauflos. » Ich laufe, damit ihr länger was von mir habt. So steht’s auch in der Apotheken-Umschau: Bewegung ist alles.«
» Gesünder und ursprünglicher«, sagt Antje und trabt hintendrein. Klar, ihr macht es natürlich nichts aus. Kristin und ich schauen uns an, seufzen und folgen.
»Ursprünglich«, das ist kein gutes Stichwort, seit Harald mir erzählt hat, dass besonders bekloppte Kommunisten das Land gewaltsam zum sozialistischen Ursprung von Viehzucht und Ackerbau zurückführen wollten. Daher befahlen die despotischen Roten Khmer 1979 die Zwangsräumung von Phnom Penh. Die Bewohner gewaltsam umzusiedeln und absichtlich eine Geisterstadt entstehen zu lassen, auf so einen Schwachsinn muss man erst mal kommen.
Wir besteigen also kein Tuk-Tuk, dafür vermittle ich einem besonders hartnäckigen Fahrer eine Tour mit zwei Franzosen, die kein Englisch sprechen können – oder wollen.
Die Mittagshitze bollert wie eine völlig überdrehte Heizung, meine Leute verkrümeln sich auf ihre Zimmer. Harald steht vor unserem Hotel. Er wirkt unschlüssig und irgendwie aufgeregt.
» Hey, Andi, geh’n wir ’n Kaffee trinken?«
Sein Grinsen könnte mit jedem Smiley konkurrieren.
» Gute Idee, vorne am Mekong soll’s nett sein.«
Wir laufen einige Meter, dann stoppt er plötzlich. Seine Beine zappeln auf der Stelle weiter.
» Was meinste, coole Bar gestern!?«, fragt er.
» Jaja, warte.« Neben der Straße bettelt ein Mann, dem ein Bein fehlt. Ich gebe ihm einige Münzen in die ausgestreckte Hand.
» Hier hätte es sogar beinahe eine Wahl der ›Miss Landmine‹ gegeben. An der sollten nur Frauen teilnehmen, die ein Körperteil durch Minen verloren haben.«
» Irre witzig, Harald.«
» Doch, das stimmt. Wirklich. Und als Gewinn hätte es eine Prothese gegeben – die sich nicht jeder leisten
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