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Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)

Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)

Titel: Muscheln für Mutti: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Dörr
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sprechen über ihre Krankheiten. Mein Buch lasse ich aufgeschlagen auf die Oberschenkel sinken. Nein, ich bin nicht ungeduldig. Ich bin … genervt. So kann ich nicht lesen!
    » Unsere Lehrerin ist ja so eine nette. Die gibt sich so viel Mühe mit der Gruppe.«
    » Ach, unsere erst. Sie wiederholt auch immer die Vokabeln der Vorwoche mit uns.«
    Ping pong, ping pong. Wenn dabei unterm Strich wenigstens etwas herauskäme. Nö! Hauptsache quasseln. Das können sie doch auch in Deutschland.
    » Für die Hausaufgaben benötige ich ja schon so drei bis vier Stunden.«
    » Ich bin da auch akribisch. Schließlich will ich etwas lernen.«
    Auch noch Sperrfeuer aus der eigenen Familie. Ich strenge mich an, kontrolliert zu bleiben. Nur mit Mühe bleibe ich ruhig und schaue Mutti und Mechthild intensiv an.
    » Sorry, ihr Queens, eigentlich wollte ich gerade lesen …«
    » Ach so, ja, dann wollen wir mal nicht stören.«
    » Sag das doch. Dann reden wir später weiter, Mechthild. Good bye.«
    Danke. Endlich. Also weiter auf Seite 137.
    » Angkor Wat ist das größte sakrale Bauwerk der Welt und das Herz des tausendjährigen Khmer-Reiches in Kambodscha …« Was für ein Timing, dass Jana genau jetzt ihren Vortrag fortsetzt.
    Mann, ich könnte ausflippen! Tue ich jedoch nicht. Aus Zuneigung zur Mutter meiner zukünftigen Kinder.
    Das soll eine Haltestelle des öffentlichen Busverkehrs sein? Das? Eigentlich ist es eher eine Art Marktplatz, auf dem unsere Reifen bremsend Staub fressen. Eier, Bananen und Fleisch, bei dem unklar bleibt, welches Tier es einmal gewesen sein könnte, werden in Waschschüsseln und Holzkörben angeboten.
    Ein rostiges Auto ist mit Personen und Paketen völlig überladen, der Fahrer geht in die Hocke, um den Abstand zwischen Auspuff und Sandboden zu prüfen. Höchstens zehn Zentimeter, schätze ich. Er wohl auch, nickt allerdings zufrieden und hebt beide Daumen zu seinen Mitfahrern.
    » Delicious«, behauptet eine Frau, die Spinnen in einem Bauchladen vor sich her trägt.
    Spinnen? Nein! Riesige Biester, die Beinchen wie Streichhölzer abgebrannt, also offensichtlich gegrillt. Tatsächlich, ihre zentimeterlangen, kohlschwarzen Gliedmaßen sehen aus wie vom Blitzschlag getroffen.
    »Nationalstraße«, die Bezeichnung ist zu hoch gegriffen, wenn man genauer betrachtet, wie sich die roten Sandkörner ungeordnet übereinanderstapeln, aufgewirbelt werden und zurück auf die Piste stauben. An ihren Seiten erheben sich grüne Palmen in allen Schattierungen. Es ist eine richtige Urwald-Fernstraße, die sich durch kleine Dörfer schlängelt. Und eine der schönsten Strecken unserer Reise. Intensiv idyllisch wirkt es, wie einige Hütten zwischen den Bäumen hervorlugen. Sie sind auf Stelzen gebaut, bei einigen führen sogar Steintreppen zum eigentlichen Holzhaus hoch. Offenbar, weil die Behausungen in der Regenzeit unterschwemmt werden – vom Flutwasser des nahen Binnensees, der Tonle Sap heißt.
    Der Blick aus dem Fenster führt mich geradewegs ins Dschungelbuch. Kinder tragen Kleinkinder auf den Armen, von der Sonne und vom vergnügten Plantschen im Schlammbad dunkelhäutig wie Mogli. Überall Tiere und Tümpel, Ochsenkarren und Schilfkörbe, es ist wie im Mittelalter, nur eben unter Palmen: einfach, sonnig, friedlich.
    Am Straßenrand werden Büsten aus Marmor und Sandstein gehauen und direkt verkauft. Neugierig verlassen wir den Bus und laufen zu den wackeligen kleinen Händlertischen. Außer Jana, die draußen auch ohne Mikro weiterspricht.
    » Die sechsarmige Göttin Parvati ist die gütige Gefährtin von Shiva.«
    » Ich habe auch einen Götter-Gatten!« Vera schubst Walter frech aus dem Bus.
    Er stolpert auf den Sand.
    » Ja, und du bist die allerbeste Ehefrau … die ich kriegen konnte.«
    Wir zahlen für Hindu-Gottheiten und Buddhas, Miniaturausgaben natürlich, die der Koffer gerade noch ertragen kann.
    » Ach kommt, die könnt ihr doch auf dem Touristenmarkt im nächsten Ort immer noch günstig kaufen«, mahnt Jana zur Eile.
    Oh, schenken wir ihr etwa zu wenig Aufmerksamkeit?
    » Okay, Jana. Aber hier ist es ein Erlebnis!«
    Ich halte ihr einen Mini-Elefanten hin. » Hier, der Gott Ganesh, ist mir soeben für sechs Dollar zugelaufen.«
    » Andi, willst du mich wieder ärgern?«
    » Nein, dazu habe ich wirklich keine Lust mehr. Nur … schau dich doch mal um. Das hier live zu erleben, hey, das toppt doch jede Erzählung.«
    Ja, das meine ich auch so, ehrlich und nicht vorwurfsvoll. Trotzdem will ich

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