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Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)

Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)

Titel: Muscheln für Mutti: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Dörr
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von allen Touristen verlassen. Fast allen. Allein die Lehrerin, die nichts kaufen wollte, bleibt vorne sitzen.
    » Steigen Sie nicht mit aus?«, fragt Sven durch die geöffnete Tür.
    » Nein! Sonst kommen doch wieder die Kinder.«
    Tja, Lehrer wäre so ein schöner Beruf – wenn nur die lieben Kleinen nicht wären.
    Die Tempelstätte, die wir jetzt betreten, die kenne ich! Aus dem Fernsehen. Nicht aus einer Reisereportage, sondern aus einem Film.
    » Alle mal herhören: Tomb Raider wurde hier gedreht! Mit Angelina Jolie.« Na also, ich weiß doch auch was.
    Applaus erhalte ich keinen und bin im nächsten Moment wie die anderen augenblicklich eingenommen von dieser Anlage, Ta Prohm genannt, die wirklich eine eigentümlich kraftvolle Ausstrahlung hat. Gewaltige Baumwurzeln uralter Würgefeigen, die den Tempel umklammern, haben einzelne Mauern angehoben und ganze Gebäudeteile verschoben. Die Stämme geben den Steinwänden sogar Halt, zerstören sie also nicht. Gerade weil Ta Prohm den Kräften des Dschungels überlassen wurde, zählt sie zu den bekanntesten Anlagen. Und natürlich wegen Angelina Jolie im Tanktop.
    Herrlich, diese überwuchernde Natur, ich sollte auch meiner eigenen freien Lauf lassen!
    » Psst, Jana, hier rüber.«
    Ich locke sie in einen Seitengang, der von den langen Feigenwurzeln überdacht ist. Wie Tintenfischarme haben sie sich über die Mauern gelegt.
    » Was gibt’s denn da?«
    » Mich!«
    » Das ist mehr, als ich erwarten konnte«, grinst sie.
    Meine Güte, ist sie heute wieder schön. Viel schöner als Angelina Jolie. Wenn sie jetzt noch deren knappe Klamotten tragen würde …
    » Knutschen?!«
    » Andi. Eigentlich ist das die Idee, aber ich muss noch weiter erzählen.«
    » Schick die anderen doch einfach weg, also schon mal vor zum Bus oder einfach früh ins Bett.«
    » Is klar. Später, mein Lieber, später.« Sie wirft mir einen Kuss zu und holt die Gruppe putzig lächelnd wieder ein.
    Später! Später platze ich. Na, hoffentlich kann sie dann damit umgehen.
    » Im Zentrum von Ta Prohm haben 80 000 Priester und Dorfbewohner gelebt. Der Tempelschatz bestand aus 500 Kilogramm Gold, 35 Diamanten und 4500 Edelsteinen.«
    Allerhand. Dagegen ist Fort Knox ja ein Armenhaus.
    Harald räuspert sich. » Diese Juwelenpracht ist einzigartig. Das königliche Kloster ist zu Ehren der Mutter von Herrscher Jayararman VII . errichtet worden.«
    Recht so. Alles für Mutti.
    Die hektargroße Anlage ist wirklich ein sehr außergewöhnlicher archäologischer Abenteuerspielplatz. Voller Energie klettere ich über noch nicht restaurierte Steinbrocken, die inmitten der üppigen Vegetation herumlümmeln und die mystische Atmosphäre untermauern.
    Jana. Mit dem Traum meiner Zukunft laufe ich durch einen Traum der Vergangenheit. Ich sollte aufhören, so kitschig zu denken. Ach was, das kann doch sowieso keiner hören.
    Lustig, es ist wirklich das gleiche Bild wie vor dem Kölner Dom. Die Japaner wetteifern miteinander, in geeigneten Posen abgelichtet zu werden. Antje fotografiert, wie sie sich vor den malerischen Wurzel-Werken knipsen.
    » Lasst uns Gruppenbilder machen!«, ruft Mechthild.
    Die stämmigen Feigenwurzeln hinter uns bilden einen natürlichen Holz-Bilderrahmen.
    » Vera, ich sehe deinen Kopf nicht! Walter, Finger aus der Nase!« Antje dirigiert unser Kasperletheater. » Cheese! Na los jetzt, alle mal lachen.«
    Das tun wir, bis zur Grimassenkarambolage.
    » Andi, nimm die Hand von Janas Hintern.«
    Verdammt, wie konnte sie das sehen!?
    » Meiner wäre noch frei.« Klappe, Harald.
    » Nicht direkt in die Linse gucken!« Antje ist in ihrem Element. » Sonst wirkt das Bild so gestellt!«
    » Aber das ist es doch auch«, sagt Mutti.
    » Soll trotzdem nicht so wirken.«
    Kurt nervt das Hin und Her mit den diversen Kameras.
    » Es reicht! Jetzt müsste doch wirklich jeder ein Bild haben, auf dem er nicht ganz so bescheuert in die Kamera schaut.«
    Einige Augenblicke stehe ich baff davor. Das ist es also, das eigentliche Angkor Wat, Kernkomplex des Weltkulturerbes der Unesco. Die formvollendeten Lotos-Türme, die sich im Wasser spiegeln, brillieren mit ihrer ästhetischen Architektur.
    Selbst ich kann es kaum erwarten, dem Tempel ganz nahe zu kommen. Um die Mittagszeit ist weniger los, wir erklimmen einige der schwarzen verwitterten Stufen. Nicht wenige Durchgänge sind gesperrt, da die marode Bausubstanz gerade restauriert wird. Außerdem dürfen die steilen Treppenaufgänge nicht mehr bestiegen werden.

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