Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
will er denn jetzt so schnell Treibstoff besorgen? Tagsüber habe ich gesehen, dass Händler an der Straße Benzin in Johnny-Walker-Flaschen anbieten. Allerdings haben die längst Feierabend!
» Guter Mann, ich glaube, Sie verstehen mich nicht …«
» Sprechen Deutsch.«
» … jaja, tun Sie, ziemlich gut sogar. Verdammter Mist, ich muss jetzt zum Flughafen!«
» Kein Problem.« Er greift in eine Seitentasche. » Hier, Taschenlampe.«
» Hä …?«
» Laufen Straße einfach gerade. Nur zwei Kilometer noch.«
Der Strahl ist schwach, die Batterie bald aufgebraucht. Wieder habe ich keine Wahl. Wenn ich renne, kann ich es vielleicht noch schaffen.
» Okay, und was ist mit Ihnen? Haben Sie noch eine Lampe?«
» Kein Problem, kennen mich aus.«
Er hält mir seine erhobenen Daumen entgegen.
Wie ein oranger Flummi hüpft der kleine Lichtkegel vor mir her. Wie soll ich denn rennen, wenn ich so gut wie nichts sehen kann? Ich haste am Straßenrand entlang, den Wald kann ich knapp erahnen, er verläuft nur drei Meter neben mir. Und natürlich ist er nicht still, wie auch. Der Mopedlärm hat seine Geräusche nur überlagert. Es knistert, raschelt, säuselt. Überall. Das dunkle Grün lebt und erscheint mir immer lauter und unheimlicher.
Ich holpere voran und habe das Gefühl, dass sich jemand aus dem dunklen Dickicht auf mich zu bewegt. Da knacken doch Zweige auf dem Boden?
Das, das sind die Momente, mit denen Horrorfilme starten!
Früher hat es immer geheißen: »Im Wald, da sind die Räuber«.
Schön wär’s!
In diesem Wald, da sind Tiger, Leoparden, Bären und Wasserbüffel. Alle freilaufend, alle wild! Außerdem bis zu zwei Meter große Warane, die mir im direkten Vergleich allerdings als geradezu possierliche Tierchen erscheinen.
Immerhin, es ist dunkel, also kann ich sie nicht sehen. Nein, das ist schlecht!
Zusätzlich schleicht hier die Königskobra umher, die größte aller Giftschlangen. Es wäre trügerisch zu glauben, das Biest gebe es hier nur in Flaschen.
Verflixt, warum muss mir das alles ausgerechnet jetzt einfallen? Hilfe, Jana, rette mich! Und wo ist der verflixte Hotelhund, wenn er mich mal beschützen könnte?
Ich bin ein Mann, also habe ich keine Angst. Das heißt, ich zeige sie nicht. Wem auch, hier ist ja sonst keine Menschenseele. Ich hetze weiter.
» Es gibt ein Leben, ein Leben nach dem Tod …!«, ich schmettere einen Karnevalshit.
Singen, das soll doch beruhigen, und in meinem Fall verschreckt es hoffentlich auch noch die Viecher. Weiter. Ich muss es schaffen, ich muss Jana erreichen. Ich muss, ich muss!
Der schwache Lichtstrahl fällt auf ein Straßenschild: »Airport 1 km«. Puh, also die bisherige Strecke noch mal. Müssen die hier so übertreiben mit den Entfernungen?
Antje wäre zufrieden mit mir. Wie lang ist dieser Tag eigentlich? Ich stoppe kurz, habe Seitenstechen, haue mir auf die Rippen. Lauf, Andi, lauf.
Plötzlich habe ich eine Erleuchtung – was mir angesichts der Funzel in meiner Hand ganz schön abstrus erscheint. Doch, tatsächlich, mir geht ein inneres Licht auf: Meine Exfreundin hat mir zu Hause ins Gesicht gesagt, dass sie keine Lust mehr auf mich hat. Das war freiheraus und ehrlich. Und selbst wenn sie es sich auf einmal anders überlegt hätte: Ich fühle mich Kim nicht mehr verbunden, ich fühle nur noch für Jana. Es gibt für mich also nichts mehr zu analysieren, auch nachträglich nicht. Ich atme tief durch.
Für diese Beziehung gibt es keine Rolle rückwärts!
Toll, endlich Schluss mit dieser Zeitverschwendung. Eigentlich sollte ich meiner Exfreundin sogar dankbar dafür sein, dass sie Jana den Weg frei gemacht hat. Das Thema ist durch, definitiv. Ich haste vorwärts, stolpere, falle hin und juchze: » Jana, ich komme!«
Endlich erreiche ich einen großen Parkplatz, an dessen Ende sich der Flughafen von Siem Reap erstreckt. Prima, das Gelände ist endlich überschaubar. Wo ist der Abflugbereich? Ich stoppe kurz. Ah gut, wohl alles in einem Gebäude. Ich spurte weiter.
Die Eingangstür öffnet sich automatisch. Blindlings und außer Atem stürze ich ins Gebäude. Da, die Anzeigetafel mit den Abflügen: Sydney über Bangkok startet um 22:45 Uhr. Noch dreißig Minuten. Ja! Ich bin ein Glückspilz, ein Glückspilz in total verschwitzten Klamotten.
»Check-in« leuchtet es im Display rot auf. Vor den Schaltern ist nur eine einzige Schlange. Jana ist nicht zu sehen, zu dumm, sie muss also bereits eingecheckt haben. Verdammt, wie soll ich denn jetzt
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