Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
gestern besser mal Reis gegessen.«
» Kann ich hier wohl mal in Ruhe …« Hallo, man nennt es das »stille Örtchen«.
» Wenn dir nicht gut ist, warum bleibst du nicht im Bett?«
» Weil Walter und Kurt mich sonst auslachen.« Ich ziehe ab.
» Warum das denn?«, wundert sich Mutti. » Ach, ich will’s gar nicht wissen. Ihr Männer seid ja noch komplizierter als … als … Videorekorder!«
Das Frühstück ist reichhaltig, aber ich trinke nur Tee. Jana nimmt sich Rühreier vom Buffet, ich gieße mir heißes Wasser in ein Glas. Es strengt mich schon an, den Teebeutel aus der Verpackung zu ziehen.
» Morgen, Jana.«
» Hi, das wird ein herrlich sonniger Tag.« Fröhlich hockt sie sich zu Vera und Walter, dem es doch auch nicht besser gehen kann. Wie kann Jana nur schon so frisch sein? Sie hat wohl Glückshormone im Blut – und ich noch Restalkohol.
Super, die nächsten Stunden versprechen wirklich glorreich zu werden. Ich nehme an diesem Tag überhaupt nur teil, weil ich der Hauptdarsteller in meinem Leben bin, nicht nur Zuschauer. Und ich lasse mir diese Rolle nicht aus der Hand nehmen! Also kneife ich auch nicht, niemals. Und schon mal gar nicht, nachdem mich zwei Senioren unter den Tisch getrunken haben.
Antje kommt aus der Küche gelaufen.
» Hier, Andi, der Schmutzentferner für’n Herd«, betont sie überdeutlich.
» Was soll ich damit?«
» Mich einsprühen. Auf der Flasche steht: ›Beseitigt selbst hartnäckiges Fett‹.«
Antje ist einfach eine Fehlbesetzung in diesem abenteuerlichen Urlaubsfilm.
Es bleibt dabei: Ich lege meinen dicken Kopf nicht wieder aufs Kissen, sondern schleppe mich mit zur Anlegestelle am Parfümfluss. Das Wasser plätschert launig vor sich hin, ich halte mir die Nase zu. Wir besteigen ein Drachenboot, das wie ein Kirmeshäuschen auf dem Wasser wirkt. Zwei quietschbunte Drachenköpfe, die ihre Holzzähne fletschen, ragen über den Bug hinaus.
» So, ihr Lieben«, grüßt Jana heiter, » setzt euch, wohin ihr wollt. Wir fahren jetzt gemütlich den Parfümfluss hoch, erst mal bis zur Thien-Mu-Pagode. Gibt’s dazu Fragen?«
Nein. Und selbst wenn, das Aufheulen des Bootsmotors hätte sie ungehört ins Wasser gewirbelt.
Offenbar hat es sich gelohnt, dass wir so früh losgefahren sind, denn nach einer Weile legt unser Drachenboot als Erstes am Ufer der Pagode an. Über einen Damm aus feuchter Erde gehen wir von Bord. Weitere Touristen sind noch nicht zu sehen, dafür Schulmädchen, die grazil hin und her laufen. Sie kichern und glucksen. In ihren traditionellen Gewändern geben sie ein hübsches Motiv ab. So eifrig wie eitel fotografieren sie sich gegenseitig mit ihren bunten Sonnenschirmchen. Die Flussbiegung im Hintergrund verleiht der Landschaft eine malerische Tiefe.
Meine Beine wollen noch nicht so recht, ich muss sie an jeder Stufe bewusst anheben. Die Treppe führt uns zum Hauptgebäude, wo in orangefarbenes Leinen gehüllte Mönche ein Morgengebet brummen. Das wirkt sehr intensiv und sehr fremdländisch. So sehr, dass es trotz meines dicken Schädels zu mir durchdringt.
» Omm, omm …«
Ihre konzentrierte Körperhaltung bekräftigt den Gebets-Ausruf, der langsam anschwillt und wie ein Glockenklang durch den Tempel ins Freie vibriert. Wäre ich nicht noch so gelähmt, müsste ich lachen. Das hier entspricht doch exakt dem Klischee, das ich vor der Reise von den kahlköpfigen Mönchen hatte. Ich lehne mich mit dem Rücken an die Mauer und atme durch.
Zu Hause habe ich mich noch über diese Mönche lustig gemacht, habe meine Exfreundin im Bett mit gefalteten Händen angebetet.
» Omm, omm …«
Okay, ich war nackt, und das hat wohl ulkig ausgesehen. Zumal im Schneidersitz und mit Pudelmütze über dem Lümmel. Aber musste mich Kim deswegen für bekloppt erklären? Miese Makrele.
Doch, doch, obwohl ich diese Form der Andacht nicht kenne, zeige ich Respekt. Allerdings ist das für mich als Zuschauer, der auf Socken still danebensteht, alles recht theoretisch. Erleuchtung, Einsicht und so weiter: das klingt ja alles ganz brauchbar. Nur, wer erläutert mir das mal konkret? Und in Bezug auf meine Familie! Irgendwie geht es darum, seinen Geist frei zu machen von allen Wertungen und Zwängen. Das funktioniert bei mir allerdings nicht so schnell.
Auch, weil sich plötzlich mein flauer Magen meldet. Wie unpassend! Schnell, wo stehen meine Schuhe?
Als ich erleichtert über einen der Säulengänge vom Lokus zurückschlurfe, will Harald es ganz genau wissen: » Wo
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