Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
Sonne schimmert. » Ist es noch roh oder hat es schon Sonnenbrand?«
» In der Grünzeugabteilung ist die Luft auch nicht besser!«
» So oder so, hier lohnt es nicht, sich ins Schlaraffenland zu reden.«
» Habt ihr’s jetzt?« Kristin schaut uns genervt an. » Der eine nimmt sich wichtig, die andere nimmt sich übergewichtig.«
Antje haut mir seitlich an den Arm. Von ihr gepiesackt zu werden bin ich echt nicht gewohnt. » Kein Wunder, dass du dich so aufführst, so … unausgeglichen. Du solltest wirklich entschlacken.«
» Sagt die Schwester, für die schon eine Gurkenscheibe eine komplette Mahlzeit darstellt!«
Sie kneift mir in die Bauchseite und fährt unbeirrt fort: » Nach einiger Zeit wird das gespeicherte Fett da drin zum vollwertigen Energielieferanten.«
» Und wenn du noch mehr abnimmst, dann übernehmen das bei dir die Knochen!«
» Ich bin nicht schmal, ich bin schlank.«
» Du bist nicht dünn, du bist dürr!«
Offenbar beleidigt, wendet sich Antje ab.
Ich gehe ihr hinterher. » Trink du nur weiter deine Gemüsebrühe. Und am fünften Tag war der Suppenkaspar tot!«
» Pfui! So haben wir euch nicht erzogen, das geht jetzt zu weit!«, schimpft Mutti.
» Und ich gehe noch weiter, nämlich ins Hotel zurück. Ich hab so was von die Faxen dicke!«
Wütend stapfe ich davon. Schnurstracks zu McDonald’s würde ich laufen, wenn die hier einen hätten. Unausgeglichen, pah. Ich bin nicht unausgeglichen, ich bin mit meiner Familie im Urlaub!
Ich stütze mich auf dem Waschbeckenrand ab. Der Spiegel ist gesprungen, ich sehe mein Gegenüber in Scherben. Vor allem schaue ich einem Typen ins Gesicht, der überhaupt nicht relaxt wirkt. Werde ich hier nur einer Rolle gerecht? Oder fülle ich sie aus? Und hat meine Ex-Kim etwas damit zu tun? Diese Gedanken stalken mich schon seit Stunden.
Es klopft an der Zimmertür.
Etwas mehr Auszeit hätten die mir schon geben können!
» Andi, kommst du mit?« Walter, ach so. » Kurt und ich gehen noch einen trinken.«
» Okay, gerne. Futtern wir auch was?«
» Aber hallo!« Kurt schnalzt mit der Zunge.
Schön, Männerabend mit meinen Jungs. Ohne Weiberworte und mit herrlich ungesundem Fleischfraß. Ein Traum!
Nach dem Essen bleiben wir in einer Eckkneipe hängen. Also, in Deutschland wäre es eine Eckkneipe, hier setzen wir uns auf blaue Plastikhocker auf dem Bürgersteig. Das ist gemütlich, weil’s hierherpasst. Ich genieße einen großen Schluck aus dem Glas und lecke mir den Bierschaum von den Lippen. Ha, das … das ist die Krone der Schöpfung!
Ruhelos rutsche ich auf dem Schemel hin und her. Die Gelassenheit von Walter und Kurt gefällt mir. Sie sind doppelt so alt wie ich und doppelt so entspannt. Die machen’s richtig.
» Wie macht ihr das nur?«, frage ich.
» Was?« Kurt stellt drei neue Bierdosen auf den Tisch.
» Na, so relaxt zu sein.«
» Wir haben doch Urlaub«, sagt Walter und sieht zum Himmel. » Und besser noch: Wir sind in Rente. Endlich.«
» Manchmal ist Ruhe in der Kiste, und manchmal rappelt’s im Karton«, orakelt Kurt.
Mit einem Klacken öffnet Walter sein neues Bier und dreht es in den Händen. » Sieh mal, warum schwimmen Fische so schnell? Umso schneller werden sie doch auch gefangen, landen also in der Pfanne.« Er schnippt den Metallring der Dose auf den Tisch. » Wenn du älter wirst, willst du dir nicht mehr über alles den Kopf zerbrechen. Du willst die restliche Zeit genießen. Und dabei ganz du selbst sein.«
Er setzt die Dose an und lässt laufen. Kurt nickt bedächtig.
Der Kung-Fu-Film läuft schon länger, zwei Kämpfer fliegen laut schreiend aufeinander zu. Gebannt schaut der Wirt aufs Vorratsregal, in dem der Fernseher steht.
» Wir nehmen noch drei Bier.«
Kurts Bestellung hört der Wirt nicht, also greifen wir einfach selbst in die Kühltruhe.
» Trinken wir auf Ex?«, fragt mich Walter.
» Aber nicht auf meine!«
Montag, 2. Februar
DURCHSCHAUT GOTT DIE FRAUEN? C
Meine Beine taumeln zum Bad. 6:30 Uhr, diktiert meine Armbanduhr. Augen öffnen, kommandiert mein Gehirn. Das Wasser läuft nur kalt aus dem Hahn. Wieder dieses blassgelbe Scherbengesicht im Spiegel. Berge, meine Zähne kommen der Bürste wie Berge vor, die sie nur langsam bewältigen kann. Ich schleppe mich zum Klo und nehme Kontakt zur Keramik auf. Um es so platt zu sagen, wie ich mich fühle: Bierschiss ist Magendriss.
» Andi, ist dir nicht gut?«, fragt Mutti durch die Tür.
» Hmm, geht schon.«
» Das kommt davon. Hättest du
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