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Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)

Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)

Titel: Muscheln für Mutti: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Dörr
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habe ich mal zwei Semester studiert.«
    Will er damit sagen, dass er deswegen auch länger …? Wie schlau! Das gibt bestimmt Pluspunkte bei Jana. Wobei, rein geographisch gesehen ist Sven ja schon ein gewisser Trampel. Ich meine, erst vertreibt er sich selbst aus dem Männerparadies Erfurt, und jetzt ist er nach Vietnam gereist und kann nicht surfen. Was für ein Mann ist Sven eigentlich?
    » So, und du gibst mir jetzt mal dieses Pornoheftchen.« Mutti reißt mir das Magazin aus der Hand und wirft es vorne in den Papierkorb. Alle lachen.
    » Der Orgasmus eines Schweins dauert übrigens 30 Minuten, ehrlich wahr!«, ruft Harald durch den Bus.
    » Oink, oink«, grunzt Walter.
    Der Urlaub schwenkt 650 Kilometer nach Süden, als wir in einer Stunde von Hanoi nach Hue fliegen.
    Beim Verlassen der Maschine der Vietnam Airlines kann ich endlich meine Jacke ins Gepäck stopfen, die Temperatur ist auf 24 Grad hochgeschnellt. Auch luftfeuchter ist es hier, die Subtropen lassen sich fast schon erfühlen. Palmenblätter wippen auf beiden Seiten der holprigen Hauptstraße, der wir zum Hotel folgen. Hue ist der größte Ort in der Landesmitte und dennoch ein überschaubares Nest. Was praktisch ist, falls man sich doch mal verläuft. Denn wenn man die Asiaten nach dem Weg fragt und sie den nicht wissen, wird es noch schwieriger. Weil sie so ungern »Nein« sagen, schicken sie einen lieber in die falsche Richtung.
    Im Hotelfoyer klebt ein Angestellter die Zimmernummern auf die Koffer und Taschen, damit die Kofferträger wissen, wohin diese gebracht werden müssen. Walter nimmt einen und pappt ihn sich an die Stirn. » Und wer trägt mich jetzt hoch aufs Zimmer?«
    Vera schiebt ihren Mann mit beiden Händen zur Treppe.
    » Hach, Andi, das Leben scheint uns zu mögen.« Im Zimmer steckt Mutti vergnügt ein Kopftuch und eine Packung Waffelkekse aus der Reisetasche in ihren Rucksack. » Weißt du, ich denke gerade an einen Ausflug mit den Senioren ins Siebengebirge. Da sitzen wir auf einer Terrasse mit Blick auf den Rhein und trinken schön Kaffee. Du weißt schon, Filterkaffee, nicht diesen neumodischen Latte Maccaroni. Der hat zu viel Schaum, bis ich da am Kaffee bin, ist die Woche um. Jedenfalls sitzt neben uns ein Junge im Rollstuhl in der Sonne und schleckt sein Schokoeis. Auf einmal schaut er mich an und juchzt: ›Toll, wie gut es uns wieder geht!‹«
    Da hat Mutti recht, ich sollte dankbar sein, diese Reise mit ihren vielen Erlebnissen überhaupt machen zu können. Alles wäre so beschaulich, so unkompliziert – wenn ich nicht noch Kim im Kopf hätte! Ihretwegen habe ich dieses zerreißende Gefühl – als wäre mein Herz ein Waggon, der von einer hinteren Lok ausgebremst und gleichzeitig von der vorderen Lok zunehmend schneller fortgezogen wird. Der Zug rumpelt durch mein Inneres, holpert über Weichen, überfährt Stoppsignale, ächzt auf einen Prellbock zu. Und ich verstehe nur Bahnhof.
    Ein Eis wäre jetzt lecker.
    Einige hundert Meter vom Hotel entfernt schlängelt sich der so genannte Parfümfluss durch den Ort. Eher lustlos schlendere ich meiner Mischpoke hinterher. Bevor mir im Zimmer die Decke auf den Kopf fällt, kann ich auch mitgehen. Solange sie nicht nerven, sind Mutti und meine Schwestern ja ganz in Ordnung. Am Ufer setzen wir uns ins Gras, und Antje liest aus dem Reiseführer vor: » Am Parfümfluss ist im 18. Jahrhundert die bedeutende Nguyng-Dynastie erblüht. Bis 1880 haben nacheinander 13 Kaiser mit ihren Familien in einer Zitadelle residiert, die eine eigene große Stadt darstellte.«
    Ganz schwach erinnere ich mich an den Geschichtsunterricht, was dann passierte: Die Franzosen marschierten durch die Stadttore und schoben dem Ganzen einen Riegel vor: Voilà, Kolonie.
    » Hue war von 1802 bis 1945 politische Hauptstadt und kulturelle Mitte des Landes«, liest Antje weiter.
    Nach einem Kilometer stehen wir in den Überresten der alten Kaiserstadt, die mich überhaupt nicht begeistern können. Nicht, dass mich gerade überhaupt irgendwas begeistern könnte. Mir fehlt ohnehin der kulturelle Biss, und nun stehe ich hier auch noch zwischen niedergebrannten Tempeltrümmern. Hier sollen Kaiser glanzvoll regiert haben? Die schwarzen vermoderten Mauern zwingen mich zu viel Phantasie. Zu Phantasie, die ich gerade nicht habe, weil meine Exfreundin sie blockiert. Mit der flachen Hand haue ich auf einen Stein.
    Anstreicher überpinseln die Granateneinschläge an den Palastanlagen, die Schusswunden in den Mauern haben

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