Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
eine freie Stelle: »Beziehungen sind fantastisch, aber final fies.«
Jetzt sollte ich wirklich ins Bett.
Dienstag, 3. Februar
OHNE FLEISS KEIN REIS C
Eine Tarnkappe wäre gut. Die anderen würden mich nicht ständig sehen, und ich könnte in Ruhe nachdenken und auch mal mit ungewaschenen Haaren in den Bus steigen. Und trotzdem hätte ich die Gruppe den ganzen Tag im Blick.
Geradezu dankbar ächzt der Motor, als er die kurvenreiche Bergstrecke von Hue zum Hai-Van-Pass bewältigt hat und nach 500 Höhenmetern auf dem Parkplatz zur Ruhe kommt.
» … genau, noch bekannter ist der Name ›Wolkenpass‹, weil er auch eine Wetterscheide darstellt«, erläutert Jana Mechthild und Kurt beim Aussteigen.
Auf der anderen Straßenseite stehen gut erhaltene Befestigungsanlagen, an denen zu Kolonialzeiten französische Soldaten die Durchreisenden zur Kasse baten. Heute übernehmen das die Souvenir-Händler.
» Seidenschmuck, Wandbilder, Holzstatuen – nix als Ballast! Ich hätte kein Geld wechseln sollen …«, knurrt Kurt und trägt mehrere Tüten hinter seiner Frau her.
Beim nächsten Händler flötet Mechthild: » Würden Sie auch meinen Mann in Zahlung nehmen?« Um sich direkt selbst zu antworten: » Zu wenig wert … ach so.«
Wie es scheint, hat dieser Wolkenpass kein romantisches Karma. Selbst Toni läuft alleine auf dem staubigen Parkplatz herum.
Auch wenn es abgedroschen klingt, es passt: Ich drücke mir die Nase am Busfenster platt. Denn auf der Talfahrt ist die weite Sicht über das grüne Dickicht hinunter zur türkisblauen Lagune der Lang Co Beach grandios malerisch. Die Baumkronen legen einen Teppich aus, der in einem über 100 Kilometer langen Küstenstreifen nach Süden verläuft.
Wir befahren die Nationalstraße 1, auf der ich mich bis Da Nang wie auf einer protzigen Promenade der Natur fühle.
Ob deswegen im 17. Jahrhundert die Spanier an diesem Strand-Boulevard gelandet sind? Und im 19. Jahrhundert die Franzosen? Nun, zumindest nicht zum Plantschen, wie ich mich schwach ans Geschichtsbuch erinnern kann. 1963 sind dann die ersten US -Marines von ihren Flugzeugträgern aus an Land gegangen. Schade, dass die Amis an der Lang Co Beach nicht ihre Schwimmreifen, sondern Kriegsspielzeug ausgepackt haben.
Museen sind für mich wie Kirchen: Man muss sich andächtig zeigen, es wird kein Bier ausgeschenkt, und der Anlass des Besuchs liegt schon tausende Jahre zurück. Es gibt unterhaltsamere Orte. Im Cham-Museum in Na Dang erzählt uns Jana von den Ureinwohnern Vietnams. Statt meinen Blick auf öde Steinskulpturen zu richten, betrachte ich sie, wobei mir besonders ihre geschwungenen Lippen auffallen, die die Ausdrücke » kunstvolle Türme« und » hinduistische Gottheiten« formen. Nur zu verständlich, wenn Sven sie küssen will.
» Die Göttin Shiva«, hebt Jana ihre Stimme, » ist zuständig für die Schöpfung und Zerstörung.«
» Also typisch für eine Frau, die nicht weiß, was sie will«, plappere ich vor mich hin.
» Was sagst du?«
Ertappt. » Jana, diese Shiva verhält sich kindisch. Erst Bauklötze stapeln und dann einstürzen lassen …«
» … Shiva ist ’ne Diva …«, trällert Walter dazwischen.
» … anstatt ein Schloss zu erschaffen – was für eine Gottheit angemessen wäre – und gut ist für die Ewigkeit.« Ja, das meine ich auch so. Warum einen Bungalow bauen, wenn man mehr drauf hat.
» Schloss ist super. Da kriegste bestimmt den Job des Hofnarren.« Kristin klopft mir geheuchelt jovial auf die Schulter.
Ich sollte besser darauf achten, ob meine Schwestern direkt neben mir stehen, wenn ich frei heraus meine Meinung sage. Ich gehe ein paar Schritte weiter und stelle mich neben Walter.
» Fein, ein Schloss. Im Prunksaal glitzern und funkeln bestimmt überall die Saphire der Kronleuchter«, schwärmt Antje.
» Und in der Folterkammer würdest du die Geräte zu Trainingsmaschinen umschweißen lassen«, mutmaße ich.
Jana scheint unsicher, wie sie unsere Kommentare bewerten soll. Immerhin lächelt sie.
» Ist Mechthild in der Nähe?«, flüstert Kurt uns zu.
» Steht drüben bei Vera.« Sven deutet quer durch den Raum.
Kurt streckt sich und tönt nun in der Lautstärke, die wir von ihm gewohnt sind. » Wie heißt noch mal der römische Gott der Liebe?«
» Amor«, weiß Antje.
» Amok, genau!«, ereifert sich Kurt. » Und das ist auch der Grund, warum Frauen so oft durchdrehen! Ich sag’s euch, wenn Mechthild der Pfeil Amoks trifft, dann …«
» … dann?«, fragt
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