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Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)

Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)

Titel: Muscheln für Mutti: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Dörr
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eine Stimme hinter ihm.
    Mechthild!
    » … dann …«, Kurt erschrickt, aber nur kurz, » dann nimmst du den Pfeil, zerbrichst ihn und schleuderst ihn Amok zurück vor die Füße. Wahrscheinlich sagst du dabei noch so etwas wie: ›Mit mir nicht, Freundchen, mit mir nicht!‹«
    Für einen kleinen Moment blitzt es in Mechthilds Augen, doch ein Donnerwetter bleibt aus. Kristin nickt Kurt anerkennend zu.
    Am Ende des Rundgangs posiert auf einem Sockel eine steinerne Figur, sechs Arme hat sie an jeder Körperseite. Ich versuche, gemeinsam mit Walter ihre Bedeutung zu entschlüsseln.
    » Die Gottheit der Hausfrauen?«
    » Oder der Taschendiebe.«
    Südlich von Da Nang schlendern wir am Strand entlang, der strahlend weiße Sand blendet uns. Auf großen Holztafeln sind Luxushotels abgebildet, die hier erst noch entstehen sollen. Gut, dass wir gekommen sind, bevor alles zubetoniert ist wie in anderen Ferienorten. Noch ist der Strand einladend unschuldig, und das Meer schäumt unbedrängt von Wasserratten wie Sven. Der alte Wellenreiter, bestimmt leidet er. Auf Honolulu wäre er ein Held, in Vietnam ist er ein Verlierer.
    Ich halte eine Hand über die Augen, auf der anderen Seite der Straße ragen die Fünf Marmorberge steil aus der grün gewellten Natur. Auch Harald starrt angestrengt auf die senkrecht ansteigenden Hügel, die umgestülpten Eimern gleichen. Gewaltig großen, umgestülpten Eimern. » Laut Legende sind es Eierschalen, die ein Drache zurückgelassen hat«, sagt er.
    Am Treppenaufgang des nächsten Marmorbergs hat sich eine kleine Schar Touristen versammelt, die am Eintrittshäuschen aufs Bezahlen warten.
    Ein rüstiger Senior zuckt ratlos mit den Schultern. » Naaa, des woaß I net.«
    Mutti erkennt seine missliche Lage und übersetzt den Preisaushang. » Dort steht, die Besteigung kostet 3000 Dong pro Person.«
    » Dankschee, gnä Frau. I bin da Fraanz.« Erleichtert streckt er ihr seine Hand entgegen.
    Franz ist also ein Österreicher, der weder Englisch noch Deutsch spricht. Er fühlt sich auf dem Berg sichtlich wohl. Klar, bestimmt kommt er selbst von einem. Die Sonne scheint warm auf uns herab, und Muttis Akku ist mal wieder bis zum Anschlag aufgeladen.
    » Servus, Sepp!«
    Sie grüßt ihn freundlich mit den Worten, die wir im Familienurlaub 1986 in Tirol am häufigsten gehört haben. Natürlich ist es nicht verwunderlich, dass wir in Vietnam auf Ausländer stoßen. Aber ausgerechnet ein Österreicher, wer hätte das gedacht. Franz steckt sein Ticket ein und schlägt sich auf die Oberschenkel, offenbar fühlt sich seine alpine Beinmuskulatur herausgefordert. Und sein Schmäh-Charme, der auf einmal auch.
    » Passt scho, biiitte!« Galant bietet er Mutti seinen rechten Arm an.
    » Oh, fein«, freut sie sich, » wie ein Skilift.«
    » Gemma! I bin a Eisenbetonbrustsuperspurtspezial-Naturbursch!«
    Ein Mann, ein Wort.
    Vergnügungsvital stapfen die beiden auf dem steilen Weg voran.
    » Was war das denn jetzt?« Ich reibe mir die Augen. Obwohl ich die Szene gesehen habe, konnte ich ihr geistig nicht schnell genug folgen.
    » Hinterher!« Dazu hätte uns Antje gar nicht auffordern müssen.
    Mit etwas Abstand trotten wir ihnen nach. Kristin ist schon wieder im Blödel-Modus. » Wer weiß, ob der Ösi überhaupt ehrbare Absichten hat …« Weil ich sprachlos ausgefallen bin, quasselt sie einfach weiter. » … und was er beruflich macht, sofern überhaupt noch. Ich meine, nicht dass er uns irgendwann auf der Tasche liegt!«
    » Ach komm, ist doch schön, wenn sie sich mal wieder amüsiert.« Antje zeigt mal wieder übertriebenes Verständnis.
    Meine Mutter, die sich mit einem Ösi vergnügt, ja womöglich Orgien feiert, allein die Vorstellung zieht mir die Nägel aus den Zehen.
    Kristin überlegt. » Na, bei den Senioren, da geht bestimmt noch viel mehr, als wir wissen …«
    » … wollen!« Ich beende die Diskussion, schon wegen der Phantomschmerzen in meinen Füßen.
    Weiße Skulpturen aus Marmor, darunter Fische, Buddhas und Löwen, säumen den ansteigenden Pflasterstein-Pfad. Was mich allerdings gerade so gar nicht interessiert.
    » … das ist wirklich köstlich!«, amüsiert sich Mutti und dreht sich zu uns um. » Kinder! Ratet mal, was ›Kinderwagen‹ auf österreichisch heißt?« Sie wird es uns gleich sagen. » Ehestandslokomotive!«
    Dieses Thema bitte nicht vor uns Geschwistern, Mutti. Unser aller Wickeltisch ist doch längst auf dem Sperrmüll gelandet. Wo er auch hingehört!
    » Wäre doch

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