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Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)

Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)

Titel: Muscheln für Mutti: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Dörr
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Häuserblocks weiter steigen fünf asiatische Urlauber zu. Na gut, die kann das Sonnendeck wohl auch noch verkraften. An einem kleinen Hafen steigt der Hotelhobbit mit uns aus dem Bus und zeigt überfreundlich auf ein blau gestrichenes Boot. Da sollen wir mit? Bitte?
    Der Kahn ist rappelvoll! Bestimmt 100 Leute sitzen dicht aneinandergedrängt auf Holzbrettern. Wie die angeketteten Sträflinge auf einer Galeere, die darauf warten, gleich losrudern zu müssen.
    » Hallo Leute!« Es ist die Nervosität, die mich laut werden lässt. » Ihr sitzt im falschen Schiff! This is the Titanic … gluckgluck.«
    » Welcome to our Boat-Trip!«, verkündet ein Matrosenmitarbeiter strahlend an der Anlegestelle. Er wirkt nicht wie ein brummiger Seebär, eher wie ein zu gut gelauntes Seepferdchen. Überschwänglich hüpft er um uns herum. Warum? Unsere Tickets ziehe ich eher zurück, als sie ihm hinzuhalten. Skepsis scheint mir absolut angebracht.
    » Yes yes, here we go«, sagt der Hotelhobbit, jetzt Bootsbuddha, und läuft vor. » See you later!«
    Zögernd lasse ich Jana den Vortritt und nehme mir einen der ausliegenden Farbprospekte: »unberührte Inseln«, »faszinierendes Schnorcheln«, »Live-Entertainment«: Die Stichworte klingen recht annehmlich, wie immer bei Werbesprache.
    Ich bleibe auf der Kaimauer stehen. » Vielleicht ist es eine Falle – und die setzen uns alle auf der ersten Insel aus? So wie Robinson Crusoe, nur eben mit 99 Gleichgesinnten.«
    » Los, komm«, sagt Jana bestimmt und zieht mich hinter sich her, » ist halt ’n bisschen weniger ›Geheimtipp‹ als gedacht.«
    Wir quetschen uns zwischen die vielen Vietnamesen, die ulkige Sonnenhüte aufhaben. Australier und Amis sind anscheinend auch dabei, sie tragen fette Sonnenbrillen. Ein paar dünne Männer kraxeln über die Passagiere hinweg und machen das Boot mit routinierten Handgriffen startklar.
    » Jana, das haben wir so nicht gebucht …«
    » … wir haben gar nicht gebucht …«
    » … genau! Wir können also immer noch …«
    » … nix da.« Sie greift meinen Unterarm. » Mitgefangen, mitgehangen, heißt hier: mitgefahren! Vor dem großen Abenteuer muss ich aber noch mal für kleine Mädchen.«
    Just als die hölzernen Lattenstege entfernt werden und einer das dicke Ankertau am Ufer löst, laufen drei weitere Touristen auf das Boot zu.
    » Wait! Halt! Stopp! Wir kommen noch mit!«
    Ausgerechnet Deutsche. Och nö … die kenne ich doch!
    » Hey Andi! … Hi! … Knappes Ding, gerade noch geschafft.« Kristin, Antje und Harald!
    Sie springen ins Boot, der Bug dreht zur Meerseite, der Motor tuckert sich in Fahrt.
    » Antje hat uns erst beim Frühstück davon erzählt.« Kristin ist immer noch außer Atem. » Da habe ich die beiden direkt überzeugt, dass wir auch dabei sein sollten.«
    Antje lächelt ausweichend, sie wirkt auf mich eher überredet.
    » Wir konnten flink an der Rezeption buchen. Allerdings …« Harald lässt seinen Blick sichtlich unwohl über die vielen Köpfe schweifen. » … von ›ausgebucht‹ war nicht die Rede.«
    » Genau!«, bekräftige ich.
    Als Jana zurückkommt, ist sie überrascht und freut sich. » Hey, schön, dass ihr dabei seid.«
    Sehr schön, ja. Besser geht’s nicht. Erst verstopfen die Einheimischen das Schiff, dann sabotieren mir die drei jede Privatsphäre. Die drei plus eine, also Jana, im Sinn. Meine »Mission Seelenruhe« verpufft schon beim Start. Was für ein fulminanter Mist!
    Antje deutet meinen Gesichtsausdruck korrekt.
    » Durchatmen, Andi, durchatmen. Du bist doch emotional und kognitiv stark überreizt. Damit das nicht zu Dysfunktionen führt: Durchatmen«, raunt sie mir zu.
    Kristin nickt. » Sie meint: Mach dich locker.«
    » Nichts anderes habe ich im Sinn, aber ihr verhindert es ja die ganze Zeit. Ganz dünnes Eis, Kristin!« Ich bin voll in Fahrt.
    Und nicht nur ich. Bootsdiesel und Fahrtwind dröhnen und tosen jetzt so sehr, dass wir uns kaum mehr verstehen können. Wahrscheinlich ist das auch besser so, ich drehe mein Gesicht zum Meer. Die Gischt spritzt und sprüht ausgelassen, meine Lippen schmecken salzig.
    Na, immerhin stellen wir zu fünft einen besseren Block unter den Asiaten dar. Ja, wir sind wie das gallische Dorf, umzingelt von freundseligen Vietcongs. Einige vietnamesische Mädchen kichern über Haralds Strohhut. Der fällt ja immer noch auf, sogar unter anderen bedepperten Kopfdeckeln.
    Wenigstens ist es keine Falle. Als das Boot nur noch tranig übers Wasser schwappt und der

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