Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
Journaille.«
Die Leidtragenden des Kriegs waren die Einheimischen, wie heftige Fotos im War-History-Museum einen Kilometer weiter zeigen. Allerdings auch die einfachen US -Soldaten, die tief im Schlamm des Dschungels steckten. Die starke Luftfeuchtigkeit mit Regen und Hitze dürfte ihnen zusätzlich die Birne matschig gemacht haben.
Auch mir macht die Schwüle allmählich zu schaffen.
» Och, guckt mal, eine Hochzeit!« Mechthild faltet entzückt ihre Hände.
» Der Anfang vom Ende«, brummt Kurt.
Auf dem sonnenumsäumten Vorplatz der Kathedrale Notre Dame stolziert ein junges Pärchen Arm in Arm, beide sind schick ganz in Weiß gekleidet.
» Was für ein freudiger Anlass«, sagt Vera begeistert.
» Ich denke, die heiraten …?« Walter albert einfach am besten.
Allerdings hat er Unrecht. Ich muss das richtigstellen.
» Kleine Info, Leute: Das ist eine Beerdigung.«
» Haha, der war gut!« Walter will sich mit mir abklatschen.
» Nein, wirklich, in Vietnam ist Weiß die Farbe der Trauer!«
Ich will nicht großspurig klingen, aber gelesen ist gelesen. Auf dem Hinflug im Bordmagazin.
» In China vielleicht, hier nicht«, sagt Jana leise.
» Klar, du weißt es wieder mal besser! Was für ein Unsinn. Echt, das ist doch Romantik aus dem Reiseführer.«
Um mich zu bestätigen, gehe ich auf den Bräutigam zu und reiche ihm die Hand. » Hello, you Vietnamese. My herzliches Beileid!« Er nickt lächelnd. » Seht ihr?!« Ich muss mich echt bremsen, um mir den Triumph nicht anmerken zu lassen.
» Aber Andi, warum trägt die Frau dann so einen schönen Hochzeitsstrauß?«, fragt Mutti.
» Das ist Grabschmuck.«
» In China, ja«, wiederholt sich Jana unnötigerweise. Warum nur müssen Frauen immer so rechthaberisch sein?
» Nur fürs Protokoll, Bruder: Wenn es eine Beerdigung ist, wo ist dann der Tote?«
Manchmal sind Antjes Einwände auffallend dusselig.
» Natürlich da drüben, in dem langen weißen Leichenwagen.«
» Das könnte auch eine Luxus-Limousine sein«, mutmaßt Walter. Leider falsch.
» Zurzeit ist Heiratssaison.« Ich fasse es nicht, jetzt flunkert Jana gleich die ganze Gruppe an. » Eingeladen werden alle, die man kennt. Bei den Geschenken zählt nur Geld, und beim Hochzeitsbankett geht es nur ums Essen.«
» Wie unromantisch.« Mutti winkt dem Pärchen zu.
» Wie bei uns«, stellt Kristin sachlich fest.
» Unromantisch ist eher, dass es für die Frauen gute und schlechte Hochzeitsjahre gibt.« Nun treibt Jana ihr Unwissen wirklich kühn auf die Spitze. » Mit 26 sollte man nicht heiraten. Daher ist der Druck mit 27 umso größer, den Richtigen zu haben. 28 gilt ebenfalls als schlechtes Jahr, und mit 29 noch unverheiratet zu sein, das schickt sich nicht.«
» Und mit 30 werden sie ins Kloster verbannt oder was?«, grummelt Kurt.
» Beerdigung, Kurt, es ist eine Beerdigung.« Warum kapiert das denn keiner?
» Wäre mir auch lieber, aber die Argumente sprechen gegen dich.«
Ich bin doch nicht blöd. » Ach, Leute! Harald, du weißt das doch auch?«
» Ich habe keine Ahnung.«
Walter klopft mir freundschaftlich auf die Schulter. » Komm, weiter geht’s. In China hättest du weise gesprochen.«
Mein Blick schießt in Richtung Jana.
» Asien … das ist doch alles ein und dasselbe!«
Mutti will am Nachmittag noch eine Pagode besuchen. Die Nummer 837? Ja, Mutti. Ich sage es ihr nicht, aber es nervt. Denn letztlich sind die Gebetstempel alle gleich: In der Mitte steht ein Altar, drapiert mit Räucherstäbchen, Obst und Falschgeld. Nun, Mutti ist daheim in der Pfarrei die beste Spendensammlerin, also begleite ich sie. Und auch wenn wir die Asiaten bisher als sehr zuvorkommend erlebt haben: Alleine läuft mir Mutti nicht durch die Stadt.
In den engen Gassen stoßen wir bald auf ein in schwülstigem Rot verziertes Eingangstor. Der daraus hervorquellende Qualm zeigt, dass wir richtig sind.
» Hello!« Ein Mädchen spricht uns auf Englisch an.
Neun Jahre ist sie alt und besucht eine internationale Schule. Sie will wissen, in wie viel Pagoden wir in Vietnam bereits gewesen sind, und lächelt uns dabei herzig an.
» Je mehr Pagoden, desto mehr Glück für eure Familie.«
Gut gemacht, Mutti. Auch wenn mir dieses Glück schon bis zum Hals steht.
Auf dem Heimweg zum Hotel kommen wir an einer kleinen Parkanlage mit struppigen Baumkronen vorbei. Ein grüner Klecks inmitten von Asphalt und Beton, den viele Einheimische zum Joggen nutzen.
» Wäre Antje nicht noch in der City, sie würde
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