Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
gescheitert. Und hier offenbar, bevor es überhaupt losgegangen ist!
Bin ich denn so ein mieser Freibeuter? Bin ich nur noch klar zum … Kentern?
Wahrscheinlich bin ich gar nicht auf Jana sauer, sondern auf mich selbst, was ich mir aber nicht eingestehen will. Pah. Auch nach dem Zähneputzen habe ich noch einen pelzigen Geschmack im Rachen. Morgenstund’ hat Goldhamster im Mund.
Die kleine Hafenpromenade von Can Tho hat noch keinen blassen Schimmer vom Tag. Die silbrig glänzende Statue erscheint nur unmerklich aus dem Morgennebel, Ho Chi Minh grüßt mit erhobenem Arm. In dreifacher Lebensgröße steht er da, den ganzen Tag auf seinem kalten Sockel. Ich grüße zurück.
Wir verteilen uns auf motorisierte Holzboote, die im Brackwasser schaukelnd der Abfahrt harren. Noch recht kraftlos plumpse ich um 7 Uhr in eines der Boote, in dem uns eine ältere Frau zu den Floating Markets steuert, einem Marktplatz im Fluss. Den ich erst gar nicht so einfach erkenne, eben weil er komplett unter Wasser steht.
Dann allerdings: Berge von Fisch, Obst und Gemüse, die sich auf Hausbooten türmen und von Luke zu Luke gehandelt werden. Die elf Meter langen Boote werden offenbar als Verkaufsstand und Wohnung zugleich genutzt. Wenn sich die Früchte nicht vollständig aus dem Lager verkaufen lassen, liegen sie wohl nachts noch im Schlafzimmer.
» Schatz, hast du dich nicht rasiert?«
» Das sind die Stachelbeeren, Liebling.«
Das Leben dieser Familien spielt sich komplett auf dem Fluss ab. Die Holzplanken, die ihren Fußboden bedeuten, sie schwanken gehörig. Marktgeschrei ist nicht zu hören auf dem Cuu Long oder »Neun Drachen«, wie der Mekong übersetzt heißt. Allein die Dieselmotoren lärmen auf dem schwimmenden Markt und das Wasser, das gegen die Boote schwappt.
Einer der vielen kleinen Mekongarme spült unser Boot weiter, immer weiter durch die tropische Uferlandschaft, wie auf einer langsamen Wildwasserbahn dümpeln wir vorbei an Kokospalmen und Äckern mit Ananas. An Bananenpalmen hängen die noch grünen Fruchtstauden schwer herab. Holz- und Blechhütten sind nah am Wasser gebaut, viele stehen auf Stelzen direkt am Uferhang. Am Flusssteg kochen oder waschen die Bewohner, die Grenze zwischen Frisch- und Abwasser scheint fließend. Immer wieder kräuselt sich schmutziger Schaum, Plastiktüten und Schlingpflanzen verheddern sich in den Schiffsschrauben. Gefahr, Abenteuer und leere Flaschen sind unsere ständigen Begleiter.
Da bäumt sich Käpt’n Jack Andi Sparrow wieder in mir auf.
» Mutti! Kristin! Wir haben nur noch ein Ziel: als Erste ankommen!«
» Wie albern.« Kristin nimmt gähnend die Hand vor den Mund. Warum nur werde ich das Gefühl nicht los, dass mein Stammbaum eine Trauerweide ist?
Mein Ehrgeiz wird weiter angespornt, als wir die Boote der anderen überholen.
» Wir sehen uns im Ziel«, rufe ich und winke Walter zu.
Jana soll ruhig sehen, dass ich ein Siegertyp bin, sogar in dieser Nussschale.
Mein neuer Schwung setzt Energien frei – und eine Idee: Ich sollte sie einfach außerhalb des Programms treffen, also während ihres Feierabends. Vielleicht gelten dann ihre komischen Reise-Regularien gar nicht?!
Immer wenn wir fotografieren, drosselt meine Bootsführerin die Fahrt, damit die Bilder nicht verwackeln. Das können wir uns jetzt nicht mehr leisten.
» Mutti, nimm die Kamera runter!«, poltere ich.
» Ja wie, darf ich jetzt nicht mehr die Enten knipsen?«
» Nein, sonst können wir unsere Führung nicht ausbauen!«
Kristin reckt sich. » Andi macht wieder derart auf dicke Hose, tataa, wir könnten sie als Segel nutzen.«
Sag ich doch: Trauerweide!
» Ruhig, nur eine Sturmflut könnte uns jetzt noch stoppen!«
Oder die Schiffsschraube. Ungläubig starre ich aufs Heck und erkenne, dass sich irgendein Dreckstück in unserem Antrieb verfangen hat. Mist, wir tuckern nur noch dahin. Schnell den Motor aus und die Schraube entflechten, die Verfolger kommen uns schon nahe!
Die ältere Frau erledigt das gelassen, anscheinend ist sie keinen Wettbewerb gewohnt. Warum nur hat sie keinen gut sortierten Werkzeugkasten dabei?
Oh nein, auf einmal ist der Metallpropeller sogar abgebrochen. Zwar hat sie einen Ersatz an Bord, aber bis der ausgetauscht ist … das Montieren dauert und dauert. Ich klettere nach hinten, um ihr meine Hilfe anzubieten. Sie winkt nur gleichmütig ab.
» Klar, als Kapitän kann ich mich ja nicht um alles kümmern«, sage ich zu Kristin.
Ein ums andere Boot zieht an uns
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