Muscheln für Mutti: Roman (German Edition)
vorbei.
» Wir sehen uns im Ziel«, ruft Walter und winkt fast schadenfroh.
» Es ist Freitag, der 13., da machste nix.«
Diese Niederlage kann ich nicht mehr abwenden.
» Sieh mal, Mutti, da vorne schwimmt eine Ente.«
Die anderen warten schon am Ufer, als unser Boot anlegt. Ich helfe Mutti von den schwankenden Holzplanken auf die Steinstufen und gebe der Bootsführerin ein Trinkgeld. Dann stolziere ich erhobenen Hauptes auf die Gruppe zu und lasse den Blick schweifen. Wie Christoph Columbus, der sich erst mal orientieren muss, wo er überhaupt gelandet ist.
» Andi, gibst du noch deine Schwimmweste ab?«, bittet mich Jana.
» Ach so. Gerne, ich will ja nicht gegen die Regularien des Reiseveranstalters verstoßen.«
» Blödmann.«
Als wir gemeinsam zu einer Backpacker-Bar laufen, steht am Straßenrand ein Händler, der auf seinem Holzkarren Skorpion- und Schlangenschnaps anbietet, den ich bereits auf dem Weg zur Halong-Bucht geprüft habe.
Ich sollte Jana zeigen, wie locker ich sein kann. Vielleicht so: Wenn Tiere in der Flasche antörnen, wozu führen dann Schiffe in der Flasche? Nee, die Logik verstehe ich ja selbst nicht. Ich bin doch das Double von Johnny Depp, also sollte ich mich auch so geben!
» Wenn das Zeug erotisierend wirkt, würdest du mich dann damit einreiben?«
Sie scheint überrascht, schmunzelt aber. » Würde denn die äußere Anwendung zu inneren Nebenwirkungen führen?«
Touché! Sympathiepunkt für sie. Balsam für mein Herz. Jetzt gekonnt nachlegen, Andi!
Ich hebe meine Stimme. » Wenn du eine Farbe wärst …«
» Nicht zu fassen, schon wieder diese abscheulichen Flaschen!« Antje fährt mir voll dazwischen.
» … würde ich dich dem Regenbogen hinzufügen«, murmele ich nur noch in mich hinein.
Walter nimmt mich beiseite und legt einen Arm um mich. » Sag ihr doch einfach: ›Jana, du musst jetzt ganz stark sein.‹ Und dann machst du mit ihr Schluss!«
Ich starre Walter nur an.
Der macht eine gönnerhafte Handbewegung. » Sag ihr: ›Wir können ja gute Freunde bleiben.‹«
Er freut sich so kindlich über seine Ratschläge, dass mir fast scheint, er wolle es für mich erledigen. Offenbar ist es für Walter eine Art Gesellschaftsspiel, so wie bei »Mensch, ärgere dich nicht«, wo man einfach einen rausschmeißen kann. Nee, das habe ich nie sonderlich gemocht.
Mein Magen ist wieder mein Fan, weil ich nach dem ständigen Reisfasten in der Backpacker-Bar endlich mal Kartoffeln bekommen habe, dazu noch eine halbe Pizza von Kurt. Pappsatt feiere ich Weihnachten in meiner Wampe. Entsprechend selig sitze ich im Bus, als wir in die südlichste Spitze Vietnams nach Chau Doc aufbrechen. Das Flachland ist nun vom Wasser nahezu überspült, der Mekong hat das Delta fast geflutet. Überall Feuchtigkeit, und dabei sind wir noch in der Trockenperiode hier. Zur Regenzeit dürften U-Boote den Linienverkehr übernehmen.
Jana erläutert uns bereits jetzt einige Aspekte zu Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh, die wir am nächsten Tag erreichen. Ich lausche ergriffen. Sven reagiert gelassen. Das heißt, nein, er reagiert gar nicht. Er schläft! Das gehört sich nicht, was für ein Kulturbanause!
Fast tut er mir leid angesichts meiner persönlichen Mondlandung bei Jana, die ja nun unmittelbar bevorsteht. Hoffentlich! Ich blättere im Reiseführer zu der Seite, auf der eine kleine Deutschland-Flagge abgebildet ist. Aus Quatsch schwenke ich das Buch über meinem Kopf hin und her, begeistert wie nach einem gewonnenen Länderspiel. Oléolé!
Wobei, hm, ich wäre mir schon gern im Klaren darüber, was mein nächster Schritt ist. Was nun!?
Ich meine, ich will doch nur wissen, wo genau ich stehe. Ja, dann kann ich doch viel besser planen, was ich weiter will.
Ich lege den Reiseführer wieder neben mich. Vielleicht sollte ich mich rarmachen, um interessant zu bleiben? Nee, der Countdown läuft, es sind nur noch sechs Tage bis zum Ende der Tour. Wie denn auch – selbst wenn ich mich im Bus in die letzte Reihe setze und die Kappe tief ins Gesicht ziehe: Ich wäre ja trotzdem noch da. Außerdem hat mir dieses Taktieren noch nie gefallen. Wie nach einem gelungenen Date, nach dem man überlegt, wann man die Frau am besten anruft. Oder man darauf hofft, dass sie bald eine SMS schickt, anstatt es selber zu tun. Strategischer Schnickschnack ist das!
Okay, ich könnte natürlich im Bus einfach nach vorne latschen und sie fragen: »Du, Jana, sind wir jetzt eigentlich fest zusammen?« Aber das wäre
Weitere Kostenlose Bücher