Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)
Decks über uns aufragte. Der deltaförmige Rumpf zog sich zwei Kilometer nach hinten. Er ruhte auf zahllosen Stelzen, neben denen die sechs klobigen Füße der ENTHYMESIS zerbrechlich gewirkt hätten. Und aus den Streben der einen wurde auf uns gefeuert. Der Mann verfügte zwar nur über eine Strahlenwaffe, die uns auf diese Entfernung nicht gefährlich werden konnte. Aber genauso unmöglich war es, ihn auszuschalten, denn das Vorfeld bot keinerlei Deckung. Jennifer schwenkte den Feldwerfer, den sie erbeutet hatte. Während Taylor den anderen Männern ihre Waffen abnahm und Lambert den Soldaten, den wir niedergemacht hatten, untersuchte, gab Jennifer einige Schüsse in Richtung auf den letzten verbliebenen Widersacher ab. Jeder Einschlag riss etliches an Stahl aus den Verkleidungen des Schiffes. Das Scharmützel drohte sich hinzuziehen. Gleichzeitig konnten wir nicht wissen, ob und wann Verstärkung anrücken würde.
»Lassen wir ihn!«, rief Jennifer.
Ich konnte sie kaum sehen, da sie von Rauch und umherblitzenden Werferstrahlen verhüllt war. Aber ihre Stimme knallte, als habe sie mir direkt ins Ohr gebrüllt.
»Wir hauen ab!«, kommandierte ich.
Ich nahm auf der hinteren Bank des viersitzigen Gleiters Platz. Lambert stieg vorne ein.
»Taylor«, rief ich. »Ihr Job!«
Er salutierte im Herbeilaufen und sprang auf den Fahrersitz. Mit dunklem Heulen sprach der Feldgenerator an und baute die Abschirmung auf. Jennifer kam herangesprintet. Mit erbeuteten Werfern und leichten Waffen vollgehängt, sah sie aus wie ein alter Guerillakämpfer. Sie schnappte sich einen der schnellen, wendigen Einsitzer. Das war ein Gefährt nach ihrem Geschmack. »Mir nach«, sagte sie. Dann ließ sie den Motor aufdröhnen und jagte davon.
Ein rubinrotes Strahlenbündel detonierte an unserer Abschirmung. Ich sah mich um. Der Mann hatte wirklich Mumm in den Knochen. Kaum, dass wir uns abgewandt hatten, hatte er seine Deckung aufgegeben. In gestrecktem Lauf, schräg zum Hang, setzte er uns nach und gab noch einige ungezielte Schüsse ab, die in der Umgebung verzischten oder von der Abschirmung unserer Gleiter absorbiert wurden. Die Nacht von Pensacola stand mir plötzlich vor Augen. Das Gefecht am Raumhafen, das entsetzliches Gemetzel der Aufständischen, der Schusswechsel, in dem Taylor seinen Arm eingebüßt hatte. Damals hatte unsere Situation aussichtslos geschienen. Aber sie war rosig gewesen verglichen mit der Lage, in der wir uns jetzt befanden.
»Geben Sie Gas, Taylor«, sagte ich.
Dann bäumte sich unser Fahrzeug auf und schoss davon. Jennifer war schon hunderte Meter voraus.
Zwischen den Hügeln, auf denen die erbeuteten Schiffe thronten, wanden sich schmale Wege dahin. Indem wir die Richtung einschlugen, aus der die Eskorte gekommen war, stießen wir auf eine breite Straße. Es war ein Prachtboulevard, gut geeignet, um die Vorbeimärsche großer Formationen abzunehmen. Hier war niemand zu sehen. In großer Entfernung surrten kleine Gleiter dahin, aber sie nahmen nicht von uns Notiz. Schweigend glitten wir durch die groteske Landschaft, durch diesen monumentalen Friedhof mumifizierter Kulturen. Es war denkbar, dass eines Tages auch die MARQUIS DE LAPLACE, ausgeschlachtet und von den Spuren ihres letzten Gefechtes gezeichnet, hier ausgestellt werden würde. Zumindest war dies die Absicht der Sineser. Tausende von Welten hatten sie unterworfen. Hunderte von Zivilisationen ausgelöscht oder versklavt. Über Dutzende von Quadranten gab es keine Kultur mehr, die nicht tributpflichtig war. Die Union war lange Zeit die einzige Macht gewesen, die der skrupellosen sinesischen Ausdehnungsbewegung Stand gehalten und Paroli geboten hatte. Aber unser Widerstand war zusammengebrochen. Wir kämpften nur noch ums nackte Überleben.
Das alles blitzte mir durchs Hirn, als wir, mit ein paar erbeuteten leichten Waffen versehen, schutzlos und ohne Aussicht auf Entsatz, durch den riesigen perversen Park fuhren.
Hatten die Römer die besiegten Feldherren gegnerischer Völker in Ketten durch Rom geschleift, wo die Pracht der Bauten und der Jubel der Massen sie beschämen sollten, so bildete hier die aufgebaute und hergerichtete Pracht der einstigen Gegner die Kulisse, in der die Sineser sich ergingen. Es war ein zur Landschaft gewordener Sadismus. Ein begehbarer Hass. Ein Vernichtungswille, der sich in einem Monument von den Ausmaßen einer Stadt niedergeschlagen hatte.
Niemand sprach ein Wort. In düsterem Schweigen durchfuhren wir diesen Ort
Weitere Kostenlose Bücher