Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)
weite Halle hinaus, die tatsächlich etwas von einer U-Bahn-Station hatte. Jenseits einer Arkade, die derjenigen, durch die wir eingestiegen waren, vollkommen glich, öffnete sich ein fünfzig Meter langer und zwanzig Meter tiefer Raum. Er war nur drei Meter hoch und wirkte dadurch außerordentlich bedrückend.
»Endstation«, sagte Taylor.
Zum Glück besann er sich und ließ uns zuerst aussteigen. Wer weiß, wohin die Bahn uns entführt hätte, wenn er mit seinem blauen Steuerknüppel das Kraftfeld verlassen hätte. Wir krabbelten in die Halle hinaus. Als auch Taylor neben uns auf dem sonderbaren Bahnsteig stand, schoss das blaue Lichtband ebenso lautlos davon, wie es uns herbefördert hatte.
Ich versuchte, unseren Weg im Kopf zu rekonstruieren. Wir waren vor allem nach unten gefahren. In Anbetracht, dass wir noch fünfzig Decks unter uns gehabt hatten, mussten wir nun im Kiel des Schiffes sein, unmittelbar über dem Boden.
»Eine U-Bahn in einem Schiff«, stellte Taylor fest, der fasziniert zu dem Lichtband zurücksah, das jetzt wieder in weichem Zitronengelb flimmerte. Mit triumphierender Gebärde schwenkte er seinen blauen Stab und hängte ihn dann an seinen Gürtel. »Das werde ich Wiszewsky vorschlagen. Endlich keine stundenlangen Fußmärsche mehr.«
Wir sahen uns in der langgestreckten, niedrigen Halle um. Die gegenüberliegende Seite wurde von ebensolchen Arkaden und einem weiteren gelben Lichtband eingenommen. Hier kam offenbar eine andere Linie, des Beförderungssystems heraus. Also begaben wir uns zur Schmalseite. Dort öffneten sich einzelne Torbögen. Hinter ihnen, um genau die Hälfte versetzt, standen weitere Tore, und dahinter wieder welche. Die Vorliebe der Erbauer dieses Schiffes, für labyrinthische Strukturen fing an, mich zu ermüden. Wir wanden uns hindurch, schlängelten uns durch die Öffnungen und schoben uns vorsichtig von einer Säule zur nächsten vor.
Plötzlich standen wir im Freien. Jenseits der letzten Reihe, die von Pfeilern und Torbögen gebildet wurde, ging der Blick ins Weite. Eine stählerne Rampe führte in die Tiefe. Wir taumelten zurück und verschanzten uns hinter einer der Säulen. Um ein Haar wären wir ungedeckt aufs Rollfeld hinausgelaufen. Aber indem wir uns umsahen, stellten wir noch etwas anderes fest. Wir hatten freie Sicht. Ein riesiger Radius öffnete sich vor uns. Ein Rollfeld war dagegen nicht auszumachen. Für einen Moment überkam mich ein ungläubiger Schwindel. Schwebte das Schiff noch? Indem ich den Horizont anvisierte, überschlug ich, dass wir uns noch mindestens fünfzig Meter über dem Boden befinden mussten. Behutsam schob ich mich weiter vor und spähte in die Tiefe. Eine Rampe sank vor uns ab. Aber sie gehörte nicht mehr zum Schiff selbst, sondern bestand aus rissigem Beton. Was war das für ein Terminal, an dem wir hier festmachten?
»Schöner Scheiß«, brumme Jennifer vor sich hin. Sie war meinem Blick gefolgt und pirschte sich an die vorderste Säulenreihe heran, um in ihrem Schutz in die Tiefe zu äugen. »Wir sind auf einem riesigen Gebäude gelandet.«
»Oder auf einem Hügel«, sagte Taylor.
Er lenkte unsere Aufmerksamkeit in die weitere Umgebung. Wir bogen uns noch ein wenig weiter um die schützenden Pfeiler herum und sahen atemlos in die fremdartige Landschaft hinaus, die uns umgab.
Taylor hatte recht. Wir saßen, obwohl in der Ausstiegsrampe eines gigantischen Schiffes, auf einem Hügel. Unser Blick ging in eine ebenso eintönige wie eindrucksvolle Gegend. In gleichmäßigen Abständen von einigen Kilometern wuchsen graue Hügel, die aus Beton oder Baustahl gebildet waren, aus der Ebene auf. Es gab gar kein Rollfeld und auch nichts, was an einen Tower, an Hangars, Servicegebäude, Tankwagen oder startende und landende Raumschiffe erinnert hätte. Stattdessen dehnte sich diese hügelige Landschaft bis zum Horizont. Sie hätte parkartig scheinen können, wenn sie nicht jeden Anfluges von Grün entbehrt hätte. Alles was man sah, war Stahl, Beton, Stein und Ruß. Und alle diese Hügel wurden von Gebäuden gekrönt, die als bizarr zu bezeichnen eine Verharmlosung dargestellt hätte. Die stählernen und steinernen Kuppen gipfelten in sonderbaren Zinnen, in gesprengten Ritterburgen oder aufgelassenen Tempeln. Verschraubte Pyramiden, windschiefe Freitreppen, kolossalische Türme und zyklopische Mauern hockten in der Landschaft. Es sah aus wie eine Märchenlandschaft aus Tälern, Hügel und Schlössern, die zu einem entsetzlichen
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