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Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Titel: Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Falke
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bloßen Augen kaum auszumachen war, an den Kupplungsstutzen des Segmentes V zubewegt. Der Vorgang dauerte über eine Stunde. Dann dockte Segment VII an die Hauptkupplung von V an. Das Schiff hatte die Integrität seiner Gestalt wiederhergestellt.
     
     
    Der Chronist
     
    Die Geschichte der Diaspora ist eine Geschichte der Verlassenheit. Wer ahnt die Schicksale derer, die ausgesetzt und zurückgelassen wurden. Wer verfasst die Chronik all’ der Kolonien, Brückenköpfe, Satrapien und Garnisonen, die aufgegeben oder von den einsamen Winden der Geschichte geschleift wurden. Die Veteranen, Verwundeten und Kampfesmüden, die Alexander in seinen zahlreichen Gründungen zurückließ, in den anderthalb Dutzend Statthalterschaften in Kleinasien, Ägypten, in Baktrien und der Sogdiane, in Persien und am Indus, wer erzählt von ihrer Verlorenheit hundert Tagesmärsche von der Heimat, eingepfercht in rasch hochgezogenen befestigten Plätzen, die bloße Knotenpunkte im Netz der Heerstraßen und Provinzen waren. Was wissen wir von den Spaniern, die die ersten Conquistadoren an den Gestaden einer Neuen Welt aussetzten, kleine Haufen illusionsloser Männer, deren Palisadensiedlungen zwischen dem Meer, das sie nie wieder überqueren würden, und dunkel stöhnenden Kontinenten eingeklemmt waren, oder von den Siedlern in Neuengland, fern einer Heimat, die sie niemals wiedersehen würden, von blutiger Urbevölkerung umzingelt, von einer erbarmungslosen Natur dezimiert, einzig auf sich und ihren unnachgiebigen Gott zurückgeworfen. Wie könnten wir noch nachempfinden, was in den britischen Truppen vorging, die auf den strategisch auserlesenen Stützpunkten rund um den Globus saßen, lebende Relaisstationen im Nervengeflecht des Weltreichs, kleine kasernierte Welten auf dem affenkreischenden Felsen von Gibraltar, dem steinernen Flugzeugträger Malta, dem Nadelöhr von Suez oder dem fernen malariasatten Eiland Singapore. Und was ahnen wir endlich von den nächtlichen Gedanken deutscher Landser, die in der Namib oder an den Füßen des Kilimandscharo ausharrten und später am Nordkap, im russischen Winter, in der libyschen Wüste oder an den Hängen des Kaukasus. Schweiften ihre Träume zu der zerstörten Heimat oder zu ihren frühen Brüdern, den römischen Legionen, die am Limes oder im Partherland die Stellung hielten, am Hadrianswall oder in Arabia felix? Immer schweiften harte kalte Blicke über die Ebenen und Steppen, und immer wälzten sich schweißwache Schläfer und verzehrten sich nach einer Heimkunft, die es niemals geben würde. Geschichte ist eine Geschichte der Einsamkeit und der Verlorenheit. Ohne Zahl sind auch und namenlos, die in der äußersten Verlassenheit starben, in Kesselschlachten und in tropischen Fiebern, in Vorposten, wo die Langeweile brütender war als Hitze und Barbarenüberfälle, und in Alexandria Eschata.
     
    *
     
    Rostrote Staubtürme, wie gefrorene Fontänen, die von ungefähr die Formen langgestreckter Pferdeschädel angenommen hatte. Es waren die braunen Hälse und wehenden Mähnen galoppierender Pferde, die sich in dichtem Verband der Unendlichkeit entgegenwarfen, die struppigen Köpfe wiehernder Hengste, die über eine tosende Ebene jagten, empor, mit donnernden Hufen stürmten sie in die Vertikale hinauf, und der Wind der Ewigkeit striegelte ihr schäumendes Fell.
    Wenn man den Blick ein wenig senkte, sah man den vierkantigen Kasten des Großen Drohnendecks, das im gemessenen Abstand von einigen Kilometern längsseits neben uns schwebte. Ein Quader von beeindruckender Kantenlänge, der dennoch vor den lichtjahrhohen Staubwolken des protostellaren Nebels sehr verloren wirkte. Shuttles und kleine Drohnen flitzten zwischen dem ausgekoppelten Segment und dem Mutterschiff hin und her. Noch herrschte lebhafter Verkehr zwischen den beiden Einheiten, auch wenn das Drohnendeck autark war und selbständig arbeitete.
    Und indem die MARQUIS DE LAPLACE ihren Umlauf fortsetzte, rückte allmählich die steingraue Tagseite von Eschata I ins Bild, ein von Kratern und Maren übersäter Planet, dessen Atmosphäre so klar war, dass er von keiner Luftschicht umgeben schien. Die großen Ebenen und ringförmigen Gebirgszüge lagen in überwirklicher Deutlichkeit unter uns, man konnte sich einbilden, einzelne Felsen unterscheiden zu können. Mit seiner genarbten Oberfläche bildete diese erzreiche Welt einen starken Kontrast zu den glatten Flächen aus poliertem Titan, die die Außenfronten des Großen Drohnendecks

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