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Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Titel: Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Falke
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interstellaren Zivilisation seit mehreren Jahrzehnten bevor. Wir sollten das vor allem als Chance begreifen!«
    »Ja, ja«, machte Jennifer. »Eine einmalige Chance, uns den Hals umdrehen zu lassen.«
    Sie erhöhte die Polarisation und die Abschirmung und schaltete alle anderen Systeme auf Stand By. Die Emission der ENTHYMESIS wurde auf ein Minimum reduziert.
    »Jennifer, bitte!«, rief ich aus. »Dort drüben ist kein Quantenspeicher und keine Nanozelle mehr aktiv. Die Atmosphäre des Schiffes ist seit ewigen Zeiten entwichen. Was soll passieren?!«
    Sie reagierte nicht. Schweigend tippte sie auf ihrem Bedienfeld herum, schloss den Tarnvorgang ab und leitete dann die nächste Phase der Annäherung ein. Jetzt erst wandte sie sich zu mir um.
    »Wenn ich das so genau wüsste, hätte ich es längst gesagt«, blaffte sie. Aber ihren Augen waren starr. Ich sah, dass sie Angst hatte.
    Ich stand auf und begann meine Wanderung über die Brücke, die ich immer dann vollführte, wenn die Spannung mich nicht mehr auf meinem Platz hielt.
    »Annäherung abschließen«, befahl ich. »Rendezvous einleiten. Wir gehen an Bord!«
    Und dann tauchte ein stumpfgraues, bleifarbenes und sonderbar anorganisch wirkendes Etwas vor uns auf. Zum ersten Mal sahen wir es mit unseren eigenen Augen, und wie immer, wenn man etwas von den Schirmen zu kennen meint, war der unmittelbare Eindruck ein gänzlich anderer.
    »Mein Gott«, stöhnte Lambert.
    Aber auch in mir sträubte sich etwas dagegen, die Existenz dessen, was die endlose Finsternis des Kosmos dort langsam und widerstrebend preisgab, anzunehmen. Das Schiff war riesig. Der plumpe, gedrungene Bau strahlte Brutalität aus. Blutüberschwemmte Tempel auf Guatemala oder in Mykene sahen so aus. Wie manche Dinosaurierarten war es von seltsamen Buckeln, Höckern, Dornen und anderen Auswüchsen übersät, aber wenn diese Aufbauten auf den Monitoren noch pittoresk gewirkt und an ein bizarres Insekt erinnert hatten, bekamen sie aus der Nähe etwas Groteskes und Furchteinflößendes. Freistehende Obelisken wuchsen zehn und zwölf Stockwerke über die Oberfläche auf. Sonderbar kugelige Gebilde, von denen nicht zu sagen war, ob es sich um albtraumartige Skulpturen oder um Geschützbatterien handelte, siedelten wie Pilzgewächse auf den rampenförmig ansteigenden Decks. Obwohl das Schiff glatt und poliert war und nicht einen einzigen Einschlagskrater oder ein sonstiges Zeichen seines Alters aufwies, wirkte es vernarbt und wie mit Beulen bedeckt. Die höchsten Decks glotzten mit schießschartenartigen Fensterhöhlen in die Leere des Kosmos. An den Flanken liefen längliche Strukturen dahin, die sich zu regelmäßigen Knoten verdickten, wie massive Ketten. Die Oberfläche war matt, von einem harten anthrazitschwarzen Grau. Andere Farben gab es nicht. Zu beiden Seiten der höchsten Türme prangten rätselhafte schwarze Symbole, die wohl Hohheitszeichen darstellten. Sonst gab es nichts, was das Aussehen des Schiffes erträglicher gemacht hätte. Wie eine erstarrte Kaskade basaltener Schlacke, deren Ränder gesplittert und zerborsten waren, wälzte es sich durch den Raum. Wie eine düstere Festung, die sich unversehens aus den mittelamerikanischen Urwäldern erhebt, bäumte es sich vor uns auf.
    Auf der Brücke der ENTHYMESIS herrschte Schweigen. Alle starrten zu den großen Panoramafronten der Backbordseite hinaus, wo jetzt in geringer Entfernung die bizarren Türme und Aufbauten des Geisterschiffs vorbeizogen. Wir drosselten das Tempo und schoben uns bei Kleiner Fahrt langsam heran. Das Schiff war jetzt so nah, dass es unsere Fenster ganz ausfüllte. Ein Gebirge aus porösem Stahl. Wir kamen uns vor wie die Besatzung eines zerbrechlichen Helikopters, der an den Zinnen und Fallgruben einer Burg dahingleitet und nach einem Landeplatz sucht.
    »Verdammt nochmal«, entfuhr es mir. »Ist das Ding hässlich!«
    »Möchtest du lieber in Schönheit sterben?!«, gab Jennifer zurück.
    Ich registrierte, wie Lambert bei dem letzten Wort zusammenzuckte, während Taylor herübersah und die Stirne runzelte.
    »Vielleicht«, sagte Jennifer noch, »sollten wir es ein bisschen beschießen, um seine Reaktion zu testen.«
    Ich ging darauf nicht ein.
     
    Nachdem wir die Steuerbordseite des Schiffes abgeflogen und mit unseren Scannern bestrichen hatten, dirigierte Jennifer die ENTHYMESIS nach oben. Wir saßen wie in einem halboffenen Fahrstuhl und ließen hundert Decks vor uns in die Tiefe sinken. Balkone liefen um den Leib

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