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Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition)

Titel: Museumsschiff (Gaugamela Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Falke
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des riesigen Gefährts herum, die mit sonderbaren Reliefs besetzt waren. Sie erinnerten an die Tiere und Dämonen, die die Türme gotischer Kathedralen schmücken, aber natürlich glichen sie nichts, was in irgendeiner Weise tierisch oder gar menschlich gewirkt hätte. Manche sahen einfach aus wie gefrorene Büsche, die der Wind deformiert hatte. Andere wiesen kugelige und tropfenförmige Gestalten auf, als sei fließender Schleim erstarrt und haben dabei surrealistische Skulpturen geformt. Wieder andere waren von runden und geschlitzten Höhlungen durchbrochen, die aussahen, als rissen sie angstgeweitete Augen auf oder öffneten die Münder zu erstickten Schreien. Das Beunruhigendste an ihnen war, dass es nichts gab, womit man sie hätte vergleichen können. Die menschliche Suche nach Analogien ging ins Leere.
    Als wir den oberen Rand der Steuerbordflanke erreichten, schwebten wir über das Mittschiff hinweg. Wir positionierten uns über dem treppenartig aufsteigenden Bau und hielten dort an. In umgekehrter Flugrichtung lagen wir jetzt über dem Zentrum des fremden Geschosses. Die Brücke uns direkt gegenüber. Wir setzten eine Drohne aus, die sich mit weißblauem Triebwerksstrahl davonkatapultierte. Die Masse des fremden Schiffes war groß genug, dem künstlichen Trabanten einen stabilen Orbit zu ermöglichen. Die Drohne brachte sich selbsttätig auf eine elliptische Umlaufbahn, in der sie das Objekt schraubenförmig umflog und dabei in größtmöglicher Auflösung kartierte.
    »Sehen Sie«, sagte ich zu Taylor, als er den Eingang der ersten Bilder bestätigte, »so ist das Prozedere auf einem ENTHYMESIS-Explorer. Man setzt Automaten aus und füttert die Speicher mit Daten, die später niemanden mehr interessieren.«
    Er kauerte grinsend hinter seiner Konsole, über die jetzt Details des Schiffes huschten, die mit bloßem Auge nur aus wenigen Metern Entfernung zu erkennen gewesen wären.
    Über eine Stunde verharrten wir auf unserer Position. Unter uns lag das Oberdeck des Schiffes, eine deltaförmige, treppenartig ansteigende Ebene von den Ausmaßen einer Stadt. Rampen schienen von einem Deck zum nächsten zu führen, und Türme flankierten sie, die an alte Observatorien erinnerten. Ihre Formen waren weder organisch noch anorganisch. Es war unmöglich zu sagen, was für Instrumente sie bargen und ob sie einen technischen Zweck oder eine kultische Bedeutung hatten. Während unsere Drohne uns noch in einigen Kilometern Entfernung umkreiste und die Oberfläche des Schiffes aufnahm, aktivierten wir das gravimetrische Sonar, das feinste Erschütterungen der Raumzeit verursachte und so die innere Struktur des Schiffes bloßlegte. Auf unseren Schirmen erschienen dreidimensionale Grafiken von Gängen, Hallen, weitläufigen Ebenen und massiven Blöcken. Die Einteilung in Decks war nur im geringsten Teil des Schiffes durchgehalten. Ein Großteil seines Volumens wurde von riesigen Hohlräumen eingenommen, deren weitester den Dimensionen des Großen Drohnendecks der MARQUIS DE LAPLACE entsprach, während es andererseits kompakte Quader gab, die sich der Durchleuchtung entzogen. Die größte dieser Ansammlungen lag direkt unter uns. Sie entsprach in Größe und Form in etwa der ENTHYMESIS und vereinigte in sich beinahe die Hälfte der gesamten Masse des Schiffes.
    »Das gefällt mir nicht«, sagte Jennifer.
    »Was ist denn jetzt schon wieder?«, fragte ich.
    »Dieser Block hier«, gab sie zurück und markierte die entsprechende Struktur auf dem HoloBild, wo sie rot hervorgehoben wurde. »Wir können nicht hineinsehen ...«
    Ich tauschte einen Blick mit Taylor. »Er ist massiv«, sagte ich. »Vermutlich der Reaktorblock.« Taylor hatte einen Tiefenscan durchgeführt. »Uran«, sagte er. »Einige Millionen Tonnen, sowie Transurane.«
    Jennifer seufzte.
    »Unnötig zu sagen«, fuhr der WO fort, »dass er kalt ist. Keine freien Elektronen.«
    Ich strahlte Jennifer an, die sich entnervt abwandte.
    »Schlage vor«, sagte ich, »wir nennen ihn einstweilen den Sarkopharg.«
    »Sehr witzig«, zeterte Jill.
    Ich sah aus dem Fenster. Vor uns ragte die Brücke des fremden Schiffes auf. Eine zweihundert Meter breite und beinahe ebenso hohe Mauer aus wulstigem Material, das eher an tropfiges Blei, denn an Titanstahl erinnerte. Geländerartige Streben führten zu einer Krone, die die Spitze wie Zinnen auf einem Burgfries umgab. Darunter waren schmale Schlitze eingelassen, vier Gruppen von jeweils drei, die kaum einen Meter breit, aber zehn

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