Muss ich denn schon wieder verreisen?
ich zurück, als Achmed meine Hand nahm und zu einer Koralle führte, doch dann berührte ich sie und merkte, daß sie sich ganz weich anfühlte, beinahe wie Samt. Und die Fische! Blau-gelb gestreifte, rote, dann wieder welche mit Zebramuster, über mir ein Schwarm leuchtend blauer, und mittendrin zwei große gelbe. Ach nein, das waren Flossen von einem Schnorchler. Kannte ich die nicht? Den dazugehörigen Badeanzug hatte ich doch auch schon mal gesehen! Wer hatte da gepetzt? Ich hatte Steffi absichtlich nichts von meiner Mutprobe erzählt. Normalerweise müßte sie jetzt ihr Mittagsschläfchen halten. Na warte, wenn ich den Verräter erwische!
Viel zu schnell brachte uns Achmed wieder zurück, aber diese Kostprobe hatte gereicht. Noch in der aufgeblasenen Weste hängend und zur Treppe paddelnd, versicherten wir uns gegenseitig, daß wir auf den Geschmack gekommen seien und selbstverständlich den Tauchkurs mitmachen würden. Was sollten wir da noch groß lernen müssen? Wir konnten doch schon alles, das hatten wir ja eben bewiesen.
Sogar Steffi war voll des Lobes. »Als mir Conny erzählt hat, daß du heute hier unten rumgurken würdest, hab’ ich das gar nicht glauben wollen. Aber für’n Newcomer hast du das erstaunlich gut hingekriegt. Ich habe dich ja die ganze Zeit von oben beobachtet.« Sie warf einen Blick auf meinen Finimeter, bevor sie den von Reinhard kontrollierte. »Alle Achtung, du hast viel weniger Luft gebraucht als dein Body.«
»Wie lange waren wir eigentlich unten?« Das Zeitgefühl hatte ich völlig verloren.
»Fast vierzig Minuten.«
»Mir isset vorjekommen wie ’ne Viertelstunde«, bestätigte Reinhard. »Wat is nu, melden wir uns jleich an?«
Von nun an waren wir beide beschäftigt. Wenn wir nicht im Coffeeshop saßen, wohin man zwecks Hebung des Getränkeumsatzes den theoretischen Unterricht verlegt hatte, saßen wir am Strand und paukten das, was wir gelernt hatten: Wann man wie lange in welcher Tiefe bleiben darf, wieviel Bar Druck lasten in soundso viel Metern… und das mir, die ich in Physik immer eine Niete gewesen war und nur dank meiner intelligenteren Banknachbarin die Schulzeit überlebt hatte.
Nach dem Mittagessen, wenn die übrigen Gäste je nach Mentalität ihr frugales Mahl am Strand oder im abgedunkelten Zimmer verdauten, wurden wir ins Wasser gescheucht, um vor Ort das zu praktizieren, was an Land immer einwandfrei geklappt hatte. Maske ausblasen zum Beispiel, eine unerläßliche Übung, weil die unter Wasser doch mal verrutschen kann. Zu diesem Zweck drückt man sie oben an die Stirn, holt tief Luft und bläst sie durch die Nase aus.
Normalerweise ist das Wasser dann draußen und die Sicht wieder klar. Den physikalischen Vorgang habe ich nie begriffen, und geklappt hat es sowieso erst beim achtenmal. Die anderen hatten den Bogen schon viel früher herausgehabt.
Unsere Anfängergruppe hatte sich nämlich um drei weitere Schüler vergrößert. Christina war dazugekommen, die nur ihrem Taucherfreund zuliebe den Kurs mitmachte und für das ganze Unternehmen wenig Begeisterung zeigte, sowie Silke und Patrick, zwei angehende Mediziner, die immer in grünen Operationskitteln antraten. Jetzt wußte ich wenigstens, weshalb die Krankenhauskosten permanent steigen! Meine knallrote lange Hose, wenig kleidsam, doch unter Wasser sofort zu erkennen, hatte ich mir nämlich selbst kaufen müssen. Inzwischen schimmert sie in allen Farben, denn dank des praktischen Gummizugs in der Taille wird sie von jedem Familienmitglied benutzt, das mal wieder seine Wohnung renoviert.
Manchmal, wenn die Strömung besonders stark war, hingen wir wie die Bettlaken vom Weißen Riesen am Seil, mehr damit beschäftigt, uns festzuhalten, als die geforderten Übungen zu machen. Ich hatte mir die ganze Sache weniger anstrengend vorgestellt, biß jedoch die Zähne zusammen, denn die Blamage, auf halbem Weg schlappzumachen, wollte ich mir nicht einhandeln. Außerdem durften wir am Ende jeder Lektion noch ein bißchen am Riff entlangtauchen, was vermutlich aus psychologischen Gründen geschah. Sollte nämlich ein Schüler doch abtrünnig werden wollen, weil er im wahrsten Sinne des Wortes die Nase voll hatte, dann gab er diesen Vorsatz ganz schnell wieder auf. Die schönsten Riffe und die interessantesten Fische findet man nämlich erst in zwanzig Meter Tiefe.
Doch dann kam das Aus für mich. Bisher hatten wir uns in verhältnismäßig flachem Wasser getummelt, jetzt sollten wir zum erstenmal weiter
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