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Muss ich denn schon wieder verreisen?

Muss ich denn schon wieder verreisen?

Titel: Muss ich denn schon wieder verreisen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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unserem Fall durchaus wünschenswert gewesen wäre. Mit der nächsten Mahlzeit konnten wir erst am Abend rechnen; den kleinen Hunger zwischendurch würden wir selber stillen müssen. Frau Anneliese, die ihr Lodenkostüm gegen ein rustikales Strickkleid ausgewechselt hatte, packte bereits Käse auf dick mit Butter beschmierte Brotscheiben und verstaute sie als Proviant in einer mitgebrachten Plastiktüte. (Auch einer der Gründe, weshalb wir Deutsche im Ausland so beliebt sind!)
    Irene musterte die aufgebauten Köstlichkeiten, entschied sich aber nur für Schwarzbrot mit Magerquark und zwei Tomaten. »Vielleicht schaffe ich es hier, ein paar Pfunde runterzukriegen. Zu Hause halte ich das Abnehmen nie lange durch, weil im Kühlschrank immer so viele Ersatzteile zur Hand sind.«
    Erst jetzt fiel mir auf, daß ich Frau Marquardt noch gar nicht gesehen hatte. Hoffentlich hatte sie auch verschlafen, das würde uns einen Bonus für künftige Unpünktlichkeit verschaffen. Wir saßen schon über der dritten Tasse Kaffee, als sie endlich kam. Ihr folgte ein hochgewachsener schlanker Mann mit schlohweißem Haar und einem ebensolchen Schnauzer. Lediglich seine ausgeprägte Hakennase verriet seine Herkunft. Ich schätzte ihn auf Anfang Sechzig.
    Sofort ging das Getuschel los. »Ob das ihr Freund ist?« rätselte Frau Terjung. »Gut schaut er ja aus.«
    »Für ’nen Lover ist der zu alt«, entschied Twen Claudia, wurde jedoch von Anneliese darauf hingewiesen, daß es auch rein geistige Freundschaften gebe. Sie selbst pflege deren mehrere. »Na ja, Sie sind ja auch schon fast in Rente!«
    Mit ironischem Lächeln hatte Frau Marquardt die allgemeine Neugier registriert, bevor sie uns einen guten Morgen wünschte und zur Sache kam. »Darf ich Ihnen Menachem, unseren israelischen Guide, vorstellen? Er wird uns auf der ganzen Reise begleiten, wird uns viel über die Geschichte seines Landes erzählen und beinahe alle Fragen beantworten können. Ich kenne ihn schon lange und weiß, daß er ein ausgezeichneter und kompetenter Führer ist.«
    »Schwätzt der au deitsch?« erkundigte sich Ännchen besorgt. »Weil i konn koi ausländisch.«
    »Ich bin in Deutschland aufgewachsen und habe meine Kindheit in Hamburg verbracht«, sagte Menachem. »Hebräisch habe ich erst hier lernen müssen.« Er hatte eine sehr kultivierte Stimme.
    »Ha no, hewe Sie im Krieg au in Deitschland g’läbt?«
    »Nein.«
    »War au besser so, sunscht wäre Sie vielleicht gar net mehr do.«
    Betretenes Schweigen, gefolgt von betont munterem Durcheinanderreden, das die vorangegangene Taktlosigkeit nur noch deutlicher machte. Frau Marquardt klatschte in die Hände. »Wenn alle fertig sind, sollten wir jetzt losfahren.«
    Erleichtert trabten wir hinaus. Der Bus stand schon vor dem Hotel, unbekannte Helfer hatten das Gepäck verladen, und der griesgrämige Fahrer von gestern war gegen ein pfiffiges Bürschlein ausgewechselt worden. »Ich heiße Shimon«, stellte er sich vor, »und das hier wird meine erste große Fahrt. Meinen Führerschein habe ich nämlich erst seit voriger Woche.
    »Das erzählt er schon seit drei Jahren«, beruhigte uns Menachem, denn Betti Hauser hatte sofort den Fuß von der untersten Stufe genommen. »Sie können getrost wieder einsteigen.«
    Irene hatte recht behalten. Beinahe automatisch steuerte jeder den Platz an, den er gestern schon beschlagnahmt hatte, und daran änderte sich auch nichts bis zum letzten Tag. »Komm, heute setzen wir uns auf die linke Seite, da sehen wir ein bißchen was vom Meer.«
    Als erstes erfuhren wir, daß die berühmten Jaffa-Orangen gar nicht aus Jaffa stammen, sondern daß nur der Hafen so heißt, von dem aus sie verschifft werden. Der Andromeda-Felsen, auf dem die äthiopische Königstochter festgeschmiedet worden war, bis sie von Göttersohn Perseus befreit wurde, ist auch nicht mehr so ganz aktuell, seitdem dort keine Jungfrauen mehr geopfert werden, um erzürnte Götter zu besänftigen. Die Götter säßen jetzt in Aufsichtsräten oder Bankkonsortien, und Jungfrauen seien wohl ebenfalls ziemlich rar geworden. Das war zumindest Menachems Auffassung, und ich konnte ihm nur beipflichten.
    Weiter ging es nordwärts. Nach einer halben Stunde bat Waltraud, das andere Lodenkostüm, heute in blaue Baumwolle gehüllt, um einen kurzen Stopp. Der viele Kaffee…
    Ob sie nicht doch bis zum nächsten offiziellen Halt warten könne, wir seien hier nicht auf bundesdeutschen Autobahnen mit Rastplätzen und transportablen

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