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Muss ich denn schon wieder verreisen?

Muss ich denn schon wieder verreisen?

Titel: Muss ich denn schon wieder verreisen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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europäisch gekleidet und hätte eher hinter einen Bankschalter gepaßt als in eine zwielichtige Kaschemme. Trotzdem fing er ein Gespräch an. Nach den üblichen Präliminarien, woher wir kämen und ob wir zum erstenmal in Israel seien, wollte er wissen, ob wir schon im arabischen Teil des Landes gewesen seien und ob uns die überall vorhandene militärische Präsenz der Israelis aufgefallen sei.
    Die Antwort darauf überließ ich Irene. Ihr Englisch ist wesentlich besser als meins, eine angelsächsische Schwiegertöchter hatte ich seinerzeit noch nicht gehabt (seit ihrem Einzug in den Familienverband habe ich etliche Vokabeln dazugelernt), und überhaupt bewegten wir uns hier auf sehr unsicherem Boden, auf dem ich garantiert ausrutschen würde. Diplomatie ist nicht gerade meine Stärke.
    Irene zog sich glänzend aus der Affäre. Sie ließ den Araber reden, warf nur gelegentlich eine Frage ein, betonte jedoch immer wieder, daß wir in Deutschland ja nur das erfahren, was die Medien bringen würden, und das sei viel zuwenig, um sich genauer informieren zu können.
    Nach einer halben Stunde bedankte er sich für das interessante Gespräch, verabschiedete sich und ging.
    »Es ist zum Heulen mit diesem Land«, seufzte Irene. »Seit ewigen Zeiten leben hier die Araber, zugegeben, mehr schlecht als recht, aber wenigstens unbehelligt. Plötzlich kommen die ersten Siedler, berufen sich auf die Bibel, die Thora oder weiß der Geier worauf noch, annektieren Land, immer mehr Einwanderer brauchen immer mehr Land, und dann kommt der Zeitpunkt, an dem es nicht mehr für alle reicht. Auf wessen Seite steht denn nun das Recht? Auf der Seite der Vertriebenen oder auf der der Juden, die seit Jahrhunderten in aller Welt verfolgt worden sind und nun endlich einen eigenen Staat haben wollen? Es ist doch einigermaßen logisch, daß sie dorthin gegangen sind, wohin schon Moses sein Volk geführt hat. Wenn man bedenkt…«
    »Hör auf, Irene! Hier sind politische und wirtschaftliche Interessen vorrangig, da spielt es nur noch eine untergeordnete Rolle, wer recht hat und wer nicht. Vielleicht kommt es in diesem Land einmal zu einer Verständigung zwischen beiden Völkern, doch wohl nie zu einem Frieden, solange es auf beiden Seiten Fanatiker gibt. Wir werden das Problem bestimmt nicht lösen. Komm, laß uns gehen, sonst kriegen wir beide uns noch in die Haare!«
    Der Kellner winkte ab, als wir zahlen wollten. Das sei bereits erledigt. Von wem? Von dem Herrn an unserem Tisch. Ich legte ein Trinkgeld neben den kaum berührten Kuchen, dann zogen wir ab.
    In den Basarstraßen, normalerweise um diese Tageszeit einem Ameisenhaufen ähnelnd, herrschte kaum Betrieb. Viele Läden waren schon geschlossen, fliegende Händler überhaupt nicht mehr zu sehen – sehr merkwürdig das Ganze. »Was ist denn hier los? Wissen die alle etwas, was wir nicht wissen?«
    »Mir egal, aber wir sollten machen, daß wir hier herauskommen.« Irene ging jetzt schneller. »Die Ruhe ist mir nicht geheuer.«
    Zwei Soldaten, Maschinenpistolen im Anschlag, traten aus einem Seitenweg. »What are you doing here? Make yourself scarce! Bomb alert!«
    »Was??? Bombenalarm? Wo denn?«
    »Yes.« Ungeduldig schob uns der eine vorwärts. »Go! Go!« Wir rannten die Straße entlang und hatten schon fast die Stadtmauer erreicht, als wir wieder angehalten wurden. Der kleine Platz, den wir noch hätten überqueren müssen, war von Soldaten abgesperrt. Außer uns standen noch einige Touristen ratlos herum. Ich wandte mich an einen Herrn, der sich offenbar schon länger hier aufhielt, denn er schoß ungerührt ein Foto nach dem anderen. »Wie geht’s denn jetzt weiter?«
    »Erst mal gar nicht«, sagte er gleichmütig. »Da drüben in der Tasche soll ’ne Bombe sein.«
    Ich sah keine Tasche. Doch dann entdeckte ich neben einer verrammelten Bude ein abgestelltes Fahrrad, und daran hing tatsächlich eine Einkaufstasche. Sehr groß war sie nicht, aber ich hatte ja auch keine Ahnung, wie groß Bomben zu sein hatten. Heutzutage versteckt man die Dinger doch angeblich in Rasierapparaten und Taschenlampen.
    »Gesetzt den Fall, dort ist wirklich eine Bombe, was geschieht damit? Soll die etwa hier entschärft werden?«
    »Keine Ahnung.« Jetzt knipste er zur Abwechslung mal die Soldaten. »Die werden schon wissen, was sie machen müssen. So was kommt doch häufiger vor.«
    Also warteten wir. Zehn Minuten. Zwanzig Minuten. »Sollen wir hier stehenbleiben, bis das Ding von allein explodiert?« murrte

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