Muss ich denn schon wieder verreisen?
hat doch überhaupt nichts mit Jerusalem zu tun.«
»Weiß ich ja, aber es ist die einzige, die ich behalten habe.«
Es dauerte lange, bis Menachem merkte, daß er nur noch zwei Zuhörer hatte, nämlich Herrn Terjung und den Huber-Sepp. Alle anderen hockten im Schatten, verpflasterten ihre strapazierten Füße oder kühlten sie sogar in einem der Fußwaschbecken. Kopfschüttelnd beobachtete Irene das unheilige Treiben. »Halt ja den Mund!« warnte ich, »solange sie nicht darin baden…«
Frau Marquardt rief ihre Herde zusammen und erläuterte das weitere Programm. Geplant war ein Ausflug zu einem Kloster, bei dessen Gründung auch wieder die Kreuzfahrer mitgemischt hatten, doch wer lieber in Jerusalem bleiben wolle, könne das selbstverständlich tun. An dem Kloster war niemand interessiert, an einem freien Nachmittag, den die meisten im Bett zu verbringen gedachten, alle. Mit individuellen Tips versehen, wo man essen, trinken, kaufen, besichtigen, baden oder sein Geld verspielen kann, wurden wir entlassen.
»Geht mit Gott, aber geht!« seufzte Frau Marquardt leise, nachdem sie der Huber-Maria den Weg zum Devotionalien-Geschäft erklärt hatte.
»Sie glauben wirklich, dort kriag i was Schönes für den Herrn Pfarrer? Dös Jordanwasser ist doch mehr für alle, aber i tät halt gern noch was Persönlich’s mitbringe.«
Frau Marquardt nickte nur, dann zog sie uns zur Seite. »Ich bin vorhin bei dem Parfümladen gewesen, weil ich noch mal mit unserer Abtrünnigen reden wollte. Leider waren sämtliche Schotten dicht.«
Ich wunderte mich.
»Gibt es denn hier keine geregelten Öffnungszeiten?«
Sie sah mich groß an. »Auf einem Basar???«
Na gut, mit den orientalischen Gepflogenheiten war ich wohl doch noch nicht so vertraut. »Was werden Sie denn mit Ihrem freien Nachmittag machen? Auch bummeln?«
»Du lieber Himmel, nein«, sagte sie lachend. »Erst werde ich mich zwei Stunden aufs Ohr legen, dann fahre ich zu Freunden nach Jericho.«
»Jericho? Kommen wir morgen nicht sowieso dorthin?«
»Deshalb ja. Da hat es gestern anscheinend wieder mal Probleme mit den Arabern gegeben. Jedenfalls ist das Militär in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt worden. Nun will ich abchecken, ob wir uns überhaupt hinwagen können. Sollte die Luft bleihaltig geworden sein, müssen wir das Programm ändern.«
Ich empfahl ihr die Mitnahme einer kugelsicheren Weste und eines weißen Handtuchs, mit dem sie im Bedarfsfall ihre friedlichen Absichten signalisieren könnte.
»Ich miete einen Wagen mit arabischen Kennzeichen.«
»Es ist ja auch egal, ob Sie von einer israelischen oder einer palästinensischen Kugel getroffen werden, die Wirkung wird wohl die gleiche sein.«
»Bisher hat mich noch keine erwischt«, meinte sie gleichmütig. »Ich liebe zwar dieses Land, aber ich möchte nicht unbedingt hier begraben werden.«
Wir hatten uns schon verabschiedet, als mir noch etwas einfiel. »Eine Frage noch: Werden Sie am gemeinsamen Abendessen teilnehmen und im Hotelbett übernachten, oder sorgen Sie wieder für das morgige Gesprächsthema? Ich frage nicht aus Neugier, doch ich könnte mir vorstellen, daß Anneliese bei Ihrem Nichterscheinen für den Beerdigungskranz sammeln wird. Oder weiß niemand, was Sie vorhaben?«
»Das weiß wirklich keiner. Und Sie wissen es auch nicht!«
»Ich habe verstanden. Aber gesetzt den Fall, Ihnen passiert tatsächlich etwas?«
»Dann erfahren Sie es morgen in den Nachrichten.« Sie verschwand zwischen zwei Säulen und ließ uns etwas verwundert zurück.
»Bist du eigentlich sehr müde?« Sehnsüchtig sah Irene zum Felsendom hinüber.
Natürlich war ich nicht müde! Mir taten zwar die Füße weh, vorhin wäre ich auf der Bank beinahe eingeschlafen, mir war heiß, Durst hatte ich auch, doch meine unerschütterliche Freundin schien gegen körperliche Unzulänglichkeiten gefeit zu sein. »Na prima, dann schauen wir uns die Moschee jetzt noch mal in aller Ruhe an.«
»Du hast vorhin nicht aufgepaßt! Der Felsendom ist keine Moschee, sondern ein Heiligtum. Von dem Felsen in der Mitte ist Mohammed gen Himmel gefahren.«
»Der auch? Kannst du mir mal sagen, weshalb sie dazu alle einen Stein gebraucht haben?«
Später bummelten wir ohne Ziel durch die Altstadt, entdeckten malerische Winkel, blickten durch das geöffnete Fenster ins Innere einer Zahnarztpraxis, wo der bedauernswerte Patient mit einem fußbetriebenen Bohrer traktiert wurde, was in mir sofort Assoziationen zu Omis alter
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