Muss ich denn schon wieder verreisen?
Schuhe zu holen.
»Wer schläft, sündigt nicht.« Die Sprichwörter gingen Anneliese langsam aus; wir hatten sie schon bei Wiederholungen ertappt.
Gregor war noch immer nicht startklar. »Gibt’s hier ein Aborthäusl?«
Menachem begleitete ihn. Es soll ja bereits vorgekommen sein, daß jemand auf der Klobrille eingeschlafen ist.
Restauriert und halbwegs wieder munter, entschloß sich Gregor, nunmehr auch im hinteren Teil des Busses Platz zu nehmen. Seinen Abgang begleitete Betti mit den Worten: »Wir sind Ihnen wohl nicht mehr gut genug?« Und Anneliese sagte spitz: »Gleich zu gleich gesellt sich gern.«
Ich grübelte noch über den Sinn dieser Bemerkung, als Gregor schon seine Habseligkeiten neben uns verstaute.
»Kooperative Hektik ersetzt geistige Windstille! Die drei Trutschen da vorn sollte man in der Wüste zurücklassen!«
Vermutlich hätte das nicht viel genützt. Schon Walt Disney hatte vor einigen Jahrzehnten bewiesen, daß ›die Wüste lebt‹, allerdings hatte er kriechendes und krabbelndes Getier gemeint; die Bewohner des Negev bewegen sich jedoch auf zwei Beinen vorwärts und heißen Beduinen. Wenn sie vier Beine haben, machen sie ›mäh‹, oder sie meckern, dann sind es Ziegen. Kamele (vierbeinige) gibt es ebenfalls, nur haben die in der Wüste einen noch hochnäsigeren Blick als die anderen und würden sich nie herablassen, einiger Touristen wegen auch nur den Kopf zu drehen. Die Beduinen übrigens auch nicht. Allenfalls ihre Kinder, malerisch zerlumpt und als begehrte Fotoobjekte gegen Bestechungen in Form von Geld oder Schokolade noch nicht gefeit. Frau Marquardt hatte uns zwar gebeten, den natürlichen Stolz der Beduinen zu respektieren und die Kameras im Bus zu lassen, doch Heini fühlte sich nicht angesprochen. »Ich gehe ja gar nicht hin«, sagte er, »die zoome ich mir ran!« Erst als Gustl ihm dummerweise dauernd vor die Linse geriet, gab er auf.
Immer noch Wüste. Mal hügelig, mal bretteben. Sand und Sonne, Sonne und Sand, letzterer in Form einer Staubwolke hinter uns her winkend. Am Horizont plötzlich eine Fata Morgana. Häuser.
Kein einzeln stehendes Haus mit Coca Cola-Reklame, wie es durstigen Wüstenwanderern zuweilen erscheint, sondern viele Häuser, kleinere und auch größere. Eine Stadt? Mitten in der Wüste? Wo kriegen die Wasser her?
Schon Abraham und Isaak seien mit ihren Herden hiergewesen, erzählte Frau Marquardt, doch erst um 1900 herum hätten die Türken…
Schon wieder die beiden! Trotzdem bleibe ich dabei: Isaak ist kein passender Name für ein Berliner Enkelkind!
»… zum Teil schon seßhaft geworden und nicht mehr nomadisierende Viehzüchter. Früher trafen sie sich jeden Donnerstag vor den Toren der Stadt auf dem Beduinenmarkt. Den Markt gibt es immer noch, jetzt allerdings für Touristen. Arabische Händler verkaufen Sitzkissen; Messingteller, Kupfervasen und selbstgefertigten Schmuck.«
Daran war Verena interessiert. Sie erhoffte sich Anregungen für ihre eigenen Erzeugnisse. »Die hat sie auch nötig«, meinte Hanni in Anspielung auf die manchmal recht seltsamen Kreationen, mit denen Verena ihre Schlabberkleider aufwertete. Mich erinnerten sie immer an verknotetes Lametta, aber ich bin ja auch keine Kunstgewerblerin.
Zum Mitnehmen waren die Vasen zu schwer und die Messingschalen zu häßlich, und so ein ledernes Sitzkissen, Überbleibsel aus der späten Nierentisch-Ära, hatte ich erst unlängst zum Sperrmüll gestellt.
»Hier müßtest du doch etwas für deine Mädchen finden.« Irene wühlte bereits in Silberdraht und -ketten. »Wie gefallen dir die Ohrringe?« Sie hielt etwas fünf Zentimeter Langes in die Höhe.
»Überhaupt nicht. Außerdem tragen die Zwillinge nur Mini-Perlen. Steffi haßt Ohrringe. Ich auch.«
»Stimmt«, sagte sie nach kurzem Überlegen, »ich habe dich noch nie mit Clips gesehen. Warum eigentlich nicht?«
»Weil ich mit den Dingern immer ausschaue wie eine vom horizontalen Gewerbe.«
»Die sind jünger!« erwiderte meine Freundin. Dann feilschte sie um eine Kette, deren Anhängsel an eine kleine Geldbombe erinnerte, behauptete kühn, genau das gleiche Exemplar in Jerusalem zum halben Preis gesehen zu haben, bekam sie für ein Drittel und schenkte sie abends Verena, weil sie ihr dann doch nicht mehr gefiel. Meinen Vorschlag, sie auch an den Weihnachtsbaum zu hängen, hatte sie abgelehnt.
Außer der Tatsache, eine moderne Großstadt zu sein, hatte Be’er Sheva nichts Besonderes zu bieten. Oder doch. Der Baustil
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