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Muster - Steffen-Buch

Muster - Steffen-Buch

Titel: Muster - Steffen-Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raidy
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mir das lächelnde Gesicht meiner neuen Lehrerin vor.
    Ich zitterte vor Kälte, aber die Schönheit und Freundlichkeit meiner Lehrerin hielten mich innerlich warm.
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    Im Oktober hatte meine Qual ungeahnte Ausmaße angenommen.
    Essen war rar in der Schule. Ich war eine leichte Beute für die Schul-raufbolde, die mich nach Lust und Laune verprügelten. Nach der Schule musste ich nach Hause laufen und mich übergeben, damit Mutter meinen Mageninhalt überprüfen konnte. Manchmal scheuchte sie mich anschließend sofort an die Arbeit. Mitunter füllte sie aber auch die Badewanne mit kaltem Wasser. Wenn sie in wirklich guter Stimmung war, richtete sie das Badezimmer als »Gaskammer« für mich her. Wenn sie es leid wurde, dass ich bei ihr im Haus war, schickte sie mich zum Rasenmähen, aber erst, nachdem sie mich verprügelt hatte. Ein paar Mal schlug sie mich mit einer Hundekette. Es war sehr schmerzhaft, aber ich biss die Zähne zusammen und ließ die Schläge über mich ergehen. Am meisten schmerzten Schläge mit dem Besenstiel auf die Hinterseite meiner Beine. Zuzeiten lag ich nach den Schlägen mit dem Besenstiel auf dem Boden und war kaum noch in der Lage, mich zu rühren. Mehr als einmal humpelte ich fürchterlich, als ich die Straße hinunterging und den alten Rasenmäher aus Holz vor mir her schob, um zu versuchen, etwas Geld für sie zu verdienen.
    Es kam schließlich eine Zeit, in der es mir nichts mehr nützte, wenn Vater zu Hause war, weil Mutter ihm den Umgang mit mir verboten hatte. Meine Hoffnung auf ein besseres Leben schwand, und ich glaubte langsam, dass sich mein Leben nie ändern würde. Ich dachte, dass ich Mutters Sklave sein würde, solange ich lebte. Mit jedem Tag, der vor-
    überging, ließ meine Willenskraft nach. Ich träumte nicht mehr von Superman oder irgendeinem anderen Helden, der kam, um mich zu retten. Ich wusste, dass Vaters Versprechen, mit mir fortzugehen, ein leeres Versprechen war. Ich betete nicht mehr und dachte nur noch daran, jeweils einen Tag meines Lebens hinter mich zu bringen.
    Eines Morgens schickte man mich in der Schule zur Schulkrankenschwester. Sie befragte mich über meine Kleidung und die verschiedenen blauen Flecken, mit denen meine Arme übersät waren. Meine Besuche bei der Krankenschwester wurden zur Routine. Anfangs er-zählte ich ihr das, was Mutter mir eingebleut hatte. Doch als mein Vertrauen in sie wuchs, vertraute ich ihr immer mehr über Mutter an.
    Sie machte sich Notizen und sagte, dass ich jederzeit zu ihr kommen könne, wenn ich mit jemandem reden wollte. Später erfuhr ich, dass die Krankenschwester durch die Berichte der Vertretungslehrerin, die wir 69

    am Anfang des Schuljahres gehabt hatten, auf mich aufmerksam geworden war.
    In der letzten Oktoberwoche war es in Mutters Haus Tradition, dass meine Brüder für Halloween Gesichter in Kürbisse ritzten. Mutter hatte mir dieses Privileg verwehrt, seit ich sieben oder acht Jahre alt gewesen war. Als der Abend kam, an dem meine Brüder an den Kürbissen her-umschnitzten, füllte Mutter die Badewanne, sobald ich mit meiner Arbeit fertig war. Sie drückte mir wieder den Kopf unter Wasser und befahl mir, in dieser Stellung zu verharren. Dann stürmte sie aus dem Badezimmer und machte das Licht aus. Wenn ich nach links schaute, konnte ich durch das kleine Badezimmerfenster sehen, wie es langsam dunkel wurde. Ich vertrieb mir die Zeit, indem ich vor mich hin zählte.
    Ich zählte von eins bis tausend. Dann begann ich wieder von vorne. Die Stunden verstrichen und der Wässerpegel ging langsam zurück. Je weniger Wasser in der Wanne war, desto kälter wurde mein Körper. Ich klemmte mir die Hände zwischen die Beine und lehnte mich der Länge nach an die rechte Seite der Wanne. Ich hörte Stans Halloween-Schallplatte, die Mutter ihm einige Jahre zuvor gekauft hatte. Geister und Dämonen heulten, Türen knarrten. Nachdem meine Brüder ihre Kürbisse fertig hatten, erzählte Mutter ihnen mit sanfter Stimme eine Grusel-geschichte. Je länger ich sie reden hörte, desto mehr hasste ich jeden Einzelnen von ihnen. Es war schlimm genug, wie ein Hund draußen im Hinterhof auf den Steinen sitzen zu müssen, während meine Brüder das Abendessen verspeisten. Doch bei der Vorstellung, dass sie Popcorn aßen und sich Mutters Geschichten anhörten, während ich in der kalten Badewanne liegen musste und am ganzen Körper zitterte, wollte ich mir die Seele aus dem Hals schreien.
    Der Klang von Mutters Stimme erinnerte mich

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