Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Muster - Steffen-Buch

Muster - Steffen-Buch

Titel: Muster - Steffen-Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raidy
Vom Netzwerk:
an diesem Abend an die Mommy, die ich einmal geliebt hatte und die jetzt nur noch ein Phantom war. Jetzt hatte sie es sogar geschafft, dass sich selbst meine Brüder weigerten, meine Gegenwart im Haus zur Kenntnis zu nehmen.
    Ich bedeutete ihnen weniger als die Geister, die auf Stans Schallplatte heulten. Nachdem meine Brüder ins Bett gegangen waren, kam Mutter ins Badezimmer. Sie schien erstaunt zu sein, mich immer noch in der Wanne liegen zu sehen. »Ist dir kalt?«, blaffte sie. Ich zitterte und schüttelte den Kopf, womit ich sagen wollte, dass mir sehr kalt war.
    »Nun, warum kriegt mein Goldschatz dann nicht seinen Arsch aus der Wanne und wärmt ihn im Bett seines Vaters?«
    70

    Ich stolperte aus der Wanne, zog meine Unterwäsche an und kroch in Vaters Bett, wobei ich die Bettwäsche mit meinem nassen Körper durchnässte. Aus Gründen, die ich nicht verstand, hatte Mutter be-schlossen, mich im Elternschlafzimmer schlafen zu lassen, ob Vater nun zu Hause war oder nicht. Sie schlief mit meinen Brüdern im Kinderzimmer. Es war mir im Grunde egal, solange ich nicht in dem Feldbett in der kalten Garage schlafen musste. An diesem Abend kam Vater nach Hause, aber mir fielen die Augen zu, ehe ich etwas zu ihm sagen konnte.
    Zu Weihnachten war ich fertig mit der Welt. Ich hatte einen Horror davor, während der zwei Wochen Ferien zu Hause zu sein, und sehnte mich danach, wieder in die Schule gehen zu können. Ich bekam am ersten Weihnachtstag ein Paar Rollschuhe. Ich war erstaunt, dass ich überhaupt etwas bekam, aber wie sich herausstellte, waren die Rollschuhe kein Geschenk im Sinne der christlichen Nächstenliebe. Sie dienten nur als ein weiteres Mittel für Mutter, mich aus dem Haus zu scheuchen und mir Leid zuzufügen. An den Wochenenden befahl Mutter mir immer, Rollschuh laufen zu gehen, während die anderen Kinder wegen des bitteren Frosts im Haus blieben. Ich lief um den Block und hatte nicht einmal eine Jacke an, um mich warm zu halten. Ich war das einzige Kind in der Nachbarschaft, das im Freien war. Mehr als einmal kam Tony, einer unserer Nachbarn heraus, um seine Abendzeitung zu holen, und sah mich Rollschuh laufen. Er lächelte mich freundlich an, ehe er wieder ins Haus hastete, um aus der klirrenden Kälte herauszu-kommen. In dem Bemühen, mich warm zu halten, fuhr ich so schnell, wie ich konnte. Ich sah, wie aus den Schornsteinen der Häuser, die einen Kamin hatten, Rauch aufstieg. Ich wünschte mir, der Kälte entfliehen und am Kamin sitzen zu können, doch Mutter zwang mich, stundenlang draußen zu bleiben. Sie rief mich erst herein, wenn sie wollte, dass ich Arbeiten im Haushalt für sie erledigte.
    Gegen Ende März, als wir gerade Osterferien hatten, bekam Mutter wieder ein Kind. Als die Wehen bei ihr einsetzten und Vater sie in ein Krankenhaus in San Francisco fuhr, betete ich, dass es wirklich so weit war und es sich nicht nur um einen blinden Alarm handelte. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als Mutter aus dem Haus zu haben. Ich wusste, dass Vater mir etwas zu essen geben würde, wenn Mutter nicht da war. Ich war auch froh, dass ich keine Schläge bekommen würde.
    71

    Während Mutter im Krankenhaus war, erlaubte Vater mir, mit meinen Brüdern zu spielen. Sie nahmen mich sofort wieder in ihrem Kreis auf. Wir spielten »Raumschiff Enterprise«, und Ron erwies mir die Ehre, mich Captain Kirk spielen zu lassen. Am ersten Tag machte Vater zum Mittagessen Sandwiches, und nachdem ich das erste aufgegessen hatte, bekam ich noch eins, als ich noch Hunger hatte. Wenn Vater Mutter im Krankenhaus besuchte, spielten wir vier bei unserer Nachbarin Shirley. Shirley war freundlich zu uns und behandelte uns so, als seien wir ihre eigenen Kinder. In einiger Hinsicht erinnerte Shirley mich an Mom in meinen ersten Kinderjahren, als sie mich noch nicht misshandelt hatte.
    Nach ein paar Tagen kam Mutter mit meinem jüngsten Bruder Kevin nach Hause, und ein paar Wochen später war alles wieder beim Alten. Vater war die meiste Zeit weg, und ich war weiter der Sünden-bock, an dem Mutter ihren Frust abreagierte.
    Mutter verbrachte selten viel Zeit mit Nachbarn, und so war es verwunderlich, dass sie und Shirley enge Freundinnen wurden. Sie besuchten sich täglich. In Shirleys Gegenwart spielte Mutter die Rolle der liebevollen, fürsorglichen Mutter - so, wie sie es als Betreuerin der Pfadfinder getan hatte. Nach mehreren Monaten fragte Shirley Mutter, warum ich nicht mit den anderen Kindern spielen dürfte. Sie

Weitere Kostenlose Bücher