Mustererkennung
unver—gleichlich langweiliges Board aus Osaka sind Darryl und ich zufällig darauf gestoßen, daß jemand erwähnt, jemand anderes habe entdeckt, daß #78 mit einem Wasserzeichen versehen ist.
(Ich habe das alles für dich archiviert, falls du diese aufregenden Schritte im einzelnen nachvollziehen willst. )
Über digitale Wasserzeichen weiß Cayce nicht viel, aber an den Clips, die sie gesehen hat, war keins zu bemerken. Wenn dieses Segment ein Wasserzeichen hatte, fragt sie sich, als was oder wie war es dann markiert?
Inzwischen kann ich dir unter dem Siegel der Verschwiegenheit mitteilen, daß dieses Segment wahrscheinlich wirklich mit einem unsichtbaren Wasserzeichen markiert ist. Heißt das, die anderen Segmente sind es auch? Wir wissen es nicht. Es ist ein steganographisches Wasserzeichen, und das ist, Gott steh uns bei, so eine Art Hexenwerk. Es ist – ich sage das bloß für den Fall, daß du in der Zwischenzeit einen Schlaganfall oder ein stumpfes Trauma erlitten hast – die größte Entdeckung, seit der erste Clip im Netz aufgetaucht ist. Und du bist die ersten die es erfährt. – Von mir. Und Musashi, wenn wir auch, bevor er seinen Diener machen darf, erst mal was mit diesen fastfoodverklei—sterten TShirts unternehmen müssen.
Cayce trinkt bewußt langsam einen Schluck Tee-Ersatz und guckt währenddessen woanders hin. So lang und so verrückt dieser Tag auch war, ahnt sie doch, daß das, was sie jetzt gleich lesen wird, noch verrückter und wahrscheinlich auch von wesentlich nachhaltigerer Bedeutung sein wird. Parkaboy treibt mit solchen Dingen keinen Scherz, und das Mysterium der Clips kommt ihr rein vom Gefühl her manchmal noch zentraler vor als Bigend, Blue Ant, Dorotea, ja selbst als ihr Beruf. Sie versteht das nicht, weiß es aber. Sie glaubt, daß das etwas ist, was sie mit Parkaboy, Ivy und vielen anderen Forumsmitglie-dern teilt. Es hat irgendwie mit den Clips zu tun. Mit dem Gefühl, das sie hervorrufen. Mit dem Mysterium. Das kann man keinem Außenstehenden erklären. Man würde nur komisch angeguckt werden. Aber die Clips sind wichtig, auf einmalige Art wichtig.
Steganographie heißt, daß Information in anderer Information versteckt wird. Bis jetzt weiß ich noch nicht viel mehr darüber. Aber wieder zurück zu der Geschichte von Parkaboy und
Musashi in den Tiefen des Kanji-Raumes: Wir kehrten in die Gegenwart und in unsere Sprache zurück, mit nichts als dieser einen flüchtigen und überaus kryptischen Erwähnung – die ich zunächst für eine Ausgeburt von Darryls Über—setzungskünsten hielt. Als ich dann wieder in Chicago war, machten wir, Darryl und ich, uns aus reiner Neugier an die liebevolle Erschaf—fung einer japanischen Persona, einer gewissen Keiko, die anfing, auf eben jener Website aus Osaka auf japanisch zu posten. Ein bißchen rauszuhängen, was für ein süßes Ding sie ist.
Sehr nett. Sehr hübsch, unsere Keiko. Sie
würde dir gefallen. Du weißt ja sicher: Auf nichts beißen die Nerds so gut an wie auf
Gender-Köder. Sie postet unter Nusashis ISP—Adresse, aber das liegt daran, daß sie in San Francisco ist, um Englisch zu lernen. Sehr bald schon war da ein gewisser Takayuchi, der uns aus dem blumengleichen Händchen fraß.
Taki, wie er lieber genannt werden will, behauptet, zum Dunstkreis eines Otaku-Zirkels in Tokio zu gehören, einer Gruppen die sich intern ›Mystic‹ nennt, obwohl sie öffentlich niemals unter diesem Namen (und auch sonst nicht) in Erscheinung tritt. Diese Mystic-Typen haben, laut Taki, das Wasserzeichen von #78 geknackt. Das Segment sei, so Taki, mit einer Zahl markiert, die er angeblich gesehen hat und kennt. Zweifelsohne unter dem Einfluß einsamer Phantasien, wie er ihr unters aufrei—zend kurze Schottenröckchen geht, das wir ihm en passant geschildert haben, verspricht er jetzt, uns diese Zahl zu geben, sobald wir wieder in Tokio sind.
Natürlich bin ich schwer entzückt, daß es
ausgerechnet meine geniale Wenigkeit war, die (wenn auch mit der Hilfe meines wackeren,
fastfoodbekleckerten Kanji-Man) diese grundstürzende Information (wenn es sich denn nicht um reinen Otaku-Quark handelt) an unsere virtuellen Gestade gezogen hat. La Anarchia wird bestimmt giftgrün vor Neid, sollte meine (bzw.
unsere, da Darryl ja auch sein Teil dazu beigetragen hat) Entdeckung im F:F:F publik werden. Aber soll sie das? Und überhaupt, was genau sollen wir jetzt tun? Taki (der Keiko Fotos von sich geschickt hat: Mundatmer)
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