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Mustererkennung

Mustererkennung

Titel: Mustererkennung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Karibik-Piratenbahn war stehengeblieben, und Angestellte mit hüfthohen Anglerstiefeln über dem Piratenkostüm retteten sie und führten sie durch eine Tür in ein schäbiges unterirdisches Reich aus Betonwänden, Ölla-chen, Maschinen und Kabeln, bewohnt von düster dreinblik-kenden Mechanikern, die Cayce an die Morlocks in der Zeitma-schine erinnerten.
    Für sie war dieser Disneyland-Trip schwierig, weil sie ihren Eltern nicht sagen konnte, daß sie Mickey schon seit einer ganzen Weile mied, und am vierten und letzten Tag bekam sie Ausschlag. Mickey entwickelte sich zwar in der Folgezeit nicht weiter zum Problem, aber sie ging ihm trotzdem aus dem Weg, weil sie das Gefühl hatte, gerade noch mal davongekommen zu sein.
    Boone entschuldigt sich: Er müsse kurz seine Mails checken, vielleicht sei ja etwas gekommen, das er ihr gern zeigen würde.
    Er setzt sich auf eine Bank und nimmt seinen Laptop heraus. Sie geht an den Rand des Kanals und guckt hinab. Ein graues Kondom, das dahindriftet wie eine Qualle, eine halb aus dem Wasser guckende Bierdose und tiefer unten etwas Unidentifi—zierbares in einer fahlen, wabernden Haube aus zerfetzter Abdeckfolie. Schaudernd wendet sie sich ab.
    »Hier, gucken Sie mal«, sagt er und schaut her, den aufge—klappten Laptop auf den Knien. Sie überquert den Treidelpfad und setzt sich neben ihn. Er reicht ihr den Laptop. Sie sieht eine geöffnete Mail, verwaschen im Nachmittagslicht: Irgendwas Verschlüsseltes enthält jede dieser
    Dateien, aber mehr kann ich dir auch nicht
    sagen. Es ist auf jeden Fall keine große Da—
    tenmenge, und die ist von Segment zu Segment
    konstant. Wenn es mehr wären vielleicht – aber
    so ist das leider alles, was ich für dich tun
    kann: definitiv eine Nadel in deinem Heuhau—
    fen.
    »Von wem ist das?«
    »Von einem Freund an der Rice University. Ich habe ihn gebeten, sich die gesamten hundertfünfunddreißig Segmente anzugucken.«
    »Was macht er?«
    »Mathe. Hab’s nie auch nur annähernd kapiert. Job—
    Interviews mit Engeln für Positionen auf Stecknadelköpfen. Bei dem Start-up war er auch mit an Bord. Für alles, was mit Verschlüsselung zusammenhing, aber das ist nur ein Abfallprodukt seiner theoretischen Arbeit. Er findet es irgendwie urkomisch, daß es dafür überhaupt praktische Anwendungsmöglichkeiten gibt.«
    Und sie hört sich sagen: »Es ist ein Wasserzeichen.«
    Jetzt sieht er sie an. Diesen Blick kann sie überhaupt nicht deuten. »Woher wissen Sie das?«
    »Es gibt da jemanden in Tokio, der behauptet, im Besitz einer Zahl zu sein, die jemand anders aus Segment achtundsiebzig herausgezogen hat.«
    »Wer hat sie da herausgezogen?«
    »Clipheads. Otaku-Typen.«
    »Haben Sie die Zahl?«
    »Nein. Ich bin mir nicht mal sicher, ob es sie wirklich gibt.
    Vielleicht hat er das ja nur erfunden.«
    »Warum?«
    »Um bei einem Mädchen Eindruck zu schinden. Aber dieses Mädchen existiert auch nicht.«
    Er starrt sie an. »Was würde man brauchen, um herauszu—kriegen, ob es stimmt?«
    »Einen Flughafen«, sagt sie und muß sich jetzt eingestehen, daß sie das alles schon gründlichst durchdacht hat, »ein Flugticket. Und eine Lügengeschichte.«
    Er nimmt ihr den Laptop wieder ab, fährt ihn runter, klappt ihn zu und läßt die gefalteten Hände auf dem neutral-grauen Metall ruhen. Wie er so dasitzt und auf seine Hände guckt, könnte man glatt meinen, er betet. Dann sieht er sie an. »Ihre Entscheidung. Wenn es stimmt und Sie an diese Zahl kommen könnten, brächte uns das vielleicht irgendwohin.«
    »Ich weiß«, sagt sie, und das ist auch alles, was sie sagen kann, also sitzt sie einfach nur da und fragt sich, was sie da in Gang gesetzt hat, wohin es sie wohl führen mag und warum.
     
    12 APOPHÄNIE
     
    Als sie die Treppe hochsteigt, geht ihr auf, daß sie beim Weggehen den Bond-Trick vergessen hat, aber anscheinend haben die jüngsten Entwicklungen den finsteren Bann der Asiengirls gebrochen.
    Es macht ihr nicht mal etwas aus zu wissen, was hinter den Zeitschriftenstapeln auf dem Treppenabsatz steckt, solange sie nicht zu gründlich darüber nachdenkt.
    Beunruhigender ist die Frage, worauf sie sich da gerade ein—gelassen hat. Während sie ihn zur U-Bahn brachte, hat sie erklärt, daß sie mitmacht: Sie werden für Bigend arbeiten, sie wird nach Tokio fliegen und Taki aufstöbern. Und mit Parkaboys und Musashis Hilfe versuchen, an die Zahl zu kommen.
    Dann werden sie weitersehen.
    Er sagt, es gebe keinen Grund, das als eine Art

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