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Mustererkennung

Mustererkennung

Titel: Mustererkennung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Teufelspakt zu betrachten. Es stehe ihnen doch jederzeit frei, die Partnerschaft aufzukündigen, und sie könnten sich ja gegenseitig helfen, integer zu bleiben.
    Irgendwie kennt sie dieses Argument aus früheren Kontex—ten, von früheren Deals, wo es dann doch nicht so gelaufen ist, wie’s geplant war.
    Aber sie weiß jetzt, sie wird fliegen, und sie hat zwei sehr schwarze, sehr eigenartig aussehende Schlüssel um den Hals hängen, und im Moment kümmert sie die Peripherie einen Dreck.
    Scheiß auf Dorotea.
    Im Moment vertraut sie implizit auf deutsche Wertarbeit.
    Was seinerseits ein Problem aufwirft, wird ihr klar, während sie die beiden Qualitätsschlösser aufschließt.
    Sie weiß nicht, wo sie die Schlüssel hinterlegen oder wem sie sie anvertrauen soll. Falls Damien zurückkommt, wird er in seine Wohnung wollen. Er hat kein Büro und, soweit sie weiß, auch keinen Agenten oder so was, und von ihren gemeinsamen Bekannten hier in London kennt sie niemanden gut genug, um ihm die wertvollen, nur allzu transportablen Studiogerätschaften im oberen Zimmer zu überantworten. Sie weiß nicht, wie konstant Damien Zugang zu seiner E-Mail hat, dort auf der Grabungsstätte in Russland. Wenn sie ihn per Mail fragt, wo sie die Schlüssel lassen soll, wird er ihr noch rechtzeitig antworten?
    Dann fallen ihr Voytek und Magda ein, die ja keine Ahnung haben, wo diese Wohnung liegt. Sie kann einen Satz Schlüssel bei ihnen lassen, Damien mitteilen, daß er die beiden kontaktieren soll, und die anderen Schlüssel mitnehmen.
    Und tatsächlich scheint, als sie die Wohnung betritt, alles in bester Ordnung zu sein, selbst die Delle im Sofa, wo Boone gesessen hat.
    Das Telefon klingelt.
    »Hallo?«
    »Pamela Mainwaring. Cayce. Ich mache die Reiseorganisation für Hubertus. Ich habe Ihnen einen British-Airways-Flug gebucht, Heathrow-Narita, zehn Uhr fünfundfünfzig, erster Klasse, morgen. Geht das?«
    Cayce starrt die Robotergirls an. »Ja, danke.«
    »Sehr gut. Dann bringe ich Ihnen jetzt das Ticket vorbei.
    Außerdem habe ich noch einen Laptop und ein Handy für Sie.«
    Sie hat es bisher geschafft, sich weder noch zuzulegen, jedenfalls nicht als Reisezubehör. Sie hat zwar zu Hause einen Laptop, benutzt ihn aber, mit Normaltastatur und Monitor, ausschließlich als Schreibtischcomputer. Und Spiegelweltaufent—halte waren für sie immer ganz bewußt Urlaub vom Handy.
    Aber jetzt fällt ihr ein, daß es in Tokio keine englische Beschil-derung gibt und sie kein Japanisch kann.
    »Bin in zehn Minuten da. Sitze bereits im Auto. Bis gleich.«
    Klick.
    Sie findet den Kartonstreifen mit Voyteks Adresse, mailt ihm ihre Telefonnummer mit der Bitte, möglichst bald zurückzuru-fen. Sie wolle ihn um einen Gefallen bitten, und dabei sprängen auch ein paar ZX 81 heraus. Dann mailt sie Parkaboy, sie sei übermorgen in Tokio und er solle schon mal drüber nachdenken, wie sie an Taki herankommen könne.
    Als sie gerade die jüngste Mail von ihrer Mutter öffnen will, fällt ihr wieder ein, daß sie die letzten beiden noch nicht beantwortet hat.
    Ihre Mutter ist [email protected] . Rose of the World ist eine Art Zweckgemeinschaft oben im Roterdeland von Maui.
    Cayce war noch nie dort, aber ihre Mutter hat Fotos geschickt. Ein weitläufiger, seltsam prosaischer Sechziger-Jahre-Ranchhauskomplex vor einer roten Hügelflanke, in hohem, schütterem Gras, durch das die rote Erde schimmert wie Kopf—hautgrind. Dort oben nehmen sie sich meilenweise Tonbänder vor, zum Teil noch fabrikneu. Fahnden nach den Stimmen Verstorbener: EVP-Freaks, zu denen ihre Mutter schon seit Urzeiten zählt. Sie pflegte Wins Uher-Tonbandgerät in ihre allererste Mikrowelle zu stecken. Das sollte es angeblich gegen Rundfunkinterferenzen abschirmen.
    Cayce hat es lange geschafft, sich möglichst wenig auf das Faible ihrer Mutter für Tonbandstimmen einzulassen, und ihr Vater hatte die gleiche Strategie. Win erklärte die ganze Sache nach reiflicher Prüfung und in seiner vorsichtigen Art für Apophänie: wahnhafte Wahrnehmung bedeutsamer Zusammenhänge zwischen Dingen, die nichts miteinander zu tun haben. Und verlor dann, soweit Cayce mitgekriegt hat, nie wieder ein Wort darüber.
    Cayce zögert, nur einen Mausklick davon entfernt, die mit »HALLO???« überschriebene Mail ihrer Mutter zu öffnen.
    Nein, danach ist ihr jetzt nicht.
    Sie geht an den Kühlschrank und überlegt, was sie vor ihrer Abreise noch essen kann und was sie wegwerfen soll.
    Apophänie. Sie

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