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Mustererkennung

Mustererkennung

Titel: Mustererkennung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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geschrumpft und per Cut’n’Paste in das
    College-Wohnheimzimmer von Husashis kleiner
    Schwester versetzt. Die Kostümierung hat Darryl selbst übernommen, und dann haben wir noch beschlossen, ihre Augen um ein paar Klicks zu
    vergrößern. Das hat’s voll gebracht. Judys
    Epikanthisfalten sind verschwunden, genau wie
    der moderate Busen, mit dem sie die Natur
    bedacht hat (wir haben ihr für das Foto eine
    elastische Binde verpasst, aber nicht zu eng),
    und die großen runden Augen sind schieres
    Anime Magic. Das ist das Mädchen, das Taki
    schon sein Leben lang sucht, obwohl die Natur
    nie ein solches hervorgebracht hat, und es
    wird ihm klar sein, sobald er sie zu Gesicht
    bekommt. Das andere Attachment …
    Sie öffnet es. Irgend etwas in Filzstift-Kanji, mit multiplen Ausrufezeichen.
     
    Das hier ist Keikos Widmung. Du brauchst eine
    japanischsprachige Person, vorzugsweise jung
    und weiblich, die dir das auf den Foto—
    Ausdruck abschreibt. Die Übersetzung erspare
    ich dir. Was die Kontaktaufnahme mit Taki
    angeht, so habe ich mich dieser Frage angenommen! während Musashi das Glamourfoto gemacht hat. Die Sache ist in Arbeit, aber ich wollte
    nicht zu schnell vorgehen, da der gute Junge
    ein bißchen erratisch scheint. Keiko hat ihn
    gerade gemailt, daß eine Freundin von ihr nach
    Tokio kommt und eine Überraschung für ihn hat.
    Melde mich wieder, sobald ich die Antwort
    habe. Bist du geschäftlich in Tokio? Wie ich
    höre, ißt man dort tatsächlich rohen Fisch.
     
    Sie steht auf, geht rückwärts, bis ihre Schenkel an die Bettkante stoßen, hebt die Arme, läßt sich in Schnee-Engel-Manier fallen und starrt an die weiße Decke.
    Warum ist sie hierher gekommen? Hat sie jetzt eine neue, unentwirrbar verhedderte Stelle in ihrer Seelenleine?
    Sie schließt die Augen, aber das hat nichts mit Schlafen zu tun. Es macht ihr nur bewußt, daß ihre Augen im Moment eine Nummer zu groß für die Höhlen sind.
     
    Die Portiers reagieren strikt neutral, als sie in einer 501 und der Buzz Rickson das Hyatt verläßt und das Anerbieten, ihr einen Wagen zu rufen, dankend ablehnt.
    Ein paar Blocks weiter ersteht sie bei einem israelischen Stra-
    ßenhändler eine schwarze Strickmütze und eine chinesische Sonnenbrille, schüttelt aber den Kopf, als er ihr eine Rolex Daytona zur Vervollkommnung des Looks offeriert. Mütze über die Ohren gezogen, Haare druntergesteckt, die Rickson bis oben zugezippt und die Schultern gekrümmt, so fühlt sie sich einigermaßen genderneutral.
    Nicht, daß die Gegend weniger sicher wirken würde als bei früheren Besuchen, aber auch das ist ein bißchen gewöhnungsbedürftig. Cayce hat zwar gehört, daß die Gewaltkriminalität zugenommen hat, aber sie wird so tun, als wäre dem nicht so.
    Weil sie einfach nicht in ihrem weißen Kasten dort über der Stadt bleiben kann. Nicht jetzt. Sie fühlt sich, als wäre diesmal noch mehr zurückgeblieben als bloß ihre Seele, und sie muß laufen, um dieses Gefühl loszuwerden.
    Win. Sie hat angefangen, Win auf diese weißen Wände zu
    projizieren, und das bringt es nicht. Dieses unbearbeitete, irgendwie immer noch unbetrauerte Bild.
    Nein. Sie setzt die Füße fest auf. Wie ein Mann gehen. Ich habe es mit dem Gesetz aufgenommen. Hände in den Taschen, in der rechten die Sonnenbrille.
    Und das Gesetz hat gewonnen.
    Sie passiert einen dieser unheimlich tüchtigen mitternächtlichen Straßenarbeitertrupps. Die selbstleuchtenden Warnkegel sind hübscher als alle Lampen, die sie je besessen hat, und die Männer trennen den Asphalt mit einer wassergekühlten Stahl-scheibe auf. Tokio schläft anscheinend nie, sondern macht lediglich Pause, um unverzichtbare Reparaturen an seiner Infrastruktur zu ermöglichen. Noch nie hat sie hier aus einem der Einschnitte im Asphalt Erde hervorgucken sehen; es ist, als wäre unter der Stadt nichts als ein sauberes, gleichmäßig dichtes Substrat von Röhren und Kabeln.
    Sie geht mehr oder minder planlos weiter, folgt einem halb verschütteten Orientierungssinn, bis sie merkt, daß sie sich Kabuchiko nähert, dem Vergnügungsviertel, das sie das schlaflose Schloß nennen. Hier sind die Straßen taghell, kaum eine Fläche, die nicht mit mindestens einer hyperaktiven Lichtquelle bestückt ist.
    Sie war schon öfters hier, aber noch nie allein, und sie weiß, es ist eine Welt aus Mah-Jongg-Salons, winzigen Bars mit einer hochspezialisierten Klientel, Sex-Shops, Porno-Video-Shows und vermutlich noch allerlei anderem, aber das

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