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Mustererkennung

Mustererkennung

Titel: Mustererkennung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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werden sprechen, die Figuren. Wer weiß. Nora? Sie sagt nicht.«
    Ein junger Mann mit dichtem rotblondem Haar tritt ein, nickt ihnen zu und setzt sich vor einen der Computer.
    »Kommen Sie«, sagt Stella und wendet sich in die Richtung, aus der er gekommen ist. »Sie kennen diese Idee, ›Hausbesetzung‹, wie Amsterdam, Berlin?«
    »Ja.«
    »In Amerika Sie haben das nicht.«
    »Nicht direkt.«
    »Das hier war Hausbesetzung, diese Räume. Berühmt, in achtziger Jahre. Eine Party hier. Sieben Jahre lang. Party ohne Ende. Leute kommen, machen Party, mehr kommen, einige gehen weg, Party geht weiter, ohne Ende. Sprechen von Freiheit, Kunst, geistige Sachen. Nora und ich noch Schulmädchen, das erste Mal, als wir hier waren. Unser Vater sehr böse, als er hat uns hier gesehen. Er hat nicht gewußt.« Dieser Raum ist größer, aber angefüllt mit einer provisorischen Cube-Farm, die aus lauter durch ungestrichene Verbundplatten voneinander abgetrennten Computerarbeitsplätzen besteht. Die Bildschirme sind dunkel, die Stühle leer. Auf einem Monitor ein Plastik-Garfield, weitere Manifestationen individueller Arbeitsplatzge-staltung. Cayce nimmt ein durchsichtiges Acrylquadrat in die Hand: in der Mitte ist das Coca-Cola-Logo eingelasert, dazu eine grobe Darstellung der Zwillingstürme und die Worte »WIR GEDENKEN«. Schnell legt sie das Ding wieder weg.
    »Wenn Sie jetzt sehen, Sie können sich nicht mehr vorstellen.
    Früher hat Viktor Zoi hier gesungen, in diese Raum. Leute hatten Zeit, damals. Das System ist unter eigenes Gewicht zusammengebrochen, aber jeder hatte Job, oft sinnlose Job und sehr schlecht bezahlt, aber man konnte essen. Leute haben Freundschaft geschätzt, reden ohne Ende, essen und trinken.
    Für viele Leute war wie Studentenleben. Geistige Leben. Heute wir sagen, alles, was Lenin uns über Kommunismus gelehrt, war Unwahrheit, und alles, was er uns gelehrt über Kapitalismus, ist Wahrheit.«
    »Und was machen Sie jetzt in diesem Raum?«
    »Werk von meine Schwester wird übertragen zu Produkti—onsanlage.«
    »Ist sie grade hier?«
    »Sie arbeitet. Nun Sie werden sie sehen.«
    »Aber störe ich denn nicht –«
    »Nein. Sie ist nur hier, wenn sie arbeitet. Sie müssen verstehen. Wenn sie nicht arbeitet, sie ist nicht hier.«
    Der vierte Raum befindet sich am Ende eines schmalen Korridors, der ebensohoch ist wie die Zimmer und dessen von zahllosen Händen abgegriffene Gipswände oberhalb der Schul—terhöhe merklich heller sind. Die Tür am Ende ist weiß und glatt und wirkt im Gegensatz zu dem schuppigen Gipsverputz geradezu ätherisch.
    Stella öffnet sie, tritt zurück, bedeutet Cayce mit einer sanften Geste einzutreten.
    Diese denkt zuerst, der Raum sei fensterlos, und das größte LCD, das sie je gesehen hat, sei die einzige Lichtquelle, doch als sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, sieht sie, daß die drei hohen Fenster hinter dem Monitor schwarz gestrichen sind. Aber das registriert nur irgendein primitives Säugetier-modul in ihr, das die Aufgabe hat, Örtlichkeiten und potentielle Ausgänge zu erkunden. Ihre gesamte höhere Aufmerksamkeit ist auf den Monitor gerichtet, auf dem ein Standbild aus einem Clip ist, den sie mit Sicherheit noch nicht kennt.
    Er streckt die Hand aus, vielleicht aus der Perspektive des Mädchens gesehen, als wollte er sie im Vorbeigehen streifen.
    Wie ein Bombenzielgerät zuckt der Cursor übers Bild und bleibt in seinem Mundwinkel haften. Mausklick. Zoom. Aufge—rastert. Schnell eine Korrektur. Klick, Klick. Raus aus dem Zoom.
    Die Bedeutung seines Ausdrucks und der emotionale Gehalt des gesamten Frames haben sich verändert.
    Soviel zum Thema Komplettismus, denkt Cayce. Die Clips sind ein work in progress.
    »Das ist Nora«, sagt Stella und geht leise an Cayce vorbei, um der Gestalt, die vor dem Monitor sitzt, die Hände auf die von einem Schal umhüllten Schultern zu legen. Noras Rechte stockt, noch immer auf der Maus, was jedoch, wie Cayce spürt, nichts mit der Berührung der Schwester oder der Anwesenheit einer fremden Person zu tun hat.
    Ihr Gesicht kann Cayce immer noch nicht sehen. Ihr Haar gleicht dem ihrer Schwester – lang, dunkel, in der Mitte gescheitelt; sein Glanz reflektiert das Leuchten des Bildschirms.
    Stella spricht jetzt auf russisch mit ihrer Schwester, und da wendet sich Nora vom Monitor ab und dreht sich langsam herum; ihr Gesicht im Dreiviertelprofil wird von dem bearbeiteten Bild beleuchtet.
    Es ist Stellas Gesicht, das aber durch

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