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Mustererkennung

Mustererkennung

Titel: Mustererkennung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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zise-lierte, industriell gefertigte Cartierleuchten an den Stützpfeilern, die eher an unterirdische Ballsäle erinnerten als an U-Bahnhöfe, und diese Kronleuchter, die funkelten, als strömte, durch die tiefsten, finstersten dreißiger Jahre hindurch, der gesamte Glanz des, wie Win es genannt hatte, letzten Großreichs des neun-zehnten Jahrhunderts hier herein, um diese Basiliken des öffentlichen Personennahverkehrs zu erleuchten.
    So überwältigend, so über alle Maßen ungewöhnlich war dieser Eindruck, daß er sie tatsächlich abzulenken vermochte und sie, zumindest vorübergehend, aus den Empfindungen riß, die sie gehabt hatte, als sie die steile Treppe hinuntergestiegen und durch die krachende Stahltür hinausgetreten war in die er-schreckende, schmerzhafte Helle.
    Zwei Stunden ist sie herumgefahren, ohne zu wissen, wo sie war, ist umgestiegen, wenn ihr danach zumute war, ist, je nach Belieben, wahnsinnig majestätische Treppen hochgegangen oder hat protzige Aufzüge benutzt. Bis sie schließlich hier wieder aufgetaucht ist – auf dem Arbat, einer breiten Straße, auf der dichtes Gedränge herrscht, und ihr Aber-eigentlich-ist-es-ja-hier-genauso-wie-in-Modul will ihr immerzu einreden, daß es hier ja eigentlich genauso ist wie auf der Oxford Street, obwohl es hier natürlich überhaupt nicht so ist.
    Sie hat Durst und betritt ein vage italienisch (schon wieder versagt das Vergleichsmodul) aussehendes Etablissement, wo man alkoholfreie Getränke bekommt und ins Internet gehen kann, und kauft sich eine Flasche Wasser und eine halbe Stunde Mailcheck-Zeit.
    Die Tastatur ist kyrillisch; sie drückt immer wieder aus Versehen eine Taste, die den englischen Zeichensatz raushaut, kriegt ihn nicht wieder zurück, schafft es aber trotzdem irgendwie, eine Nachricht von Parkaboy abzurufen.
     
    Ich höre mich wahrscheinlich total blasiert
    und wie irgend so ein arrogantes Arschloch an,
    aber deine Reisefrau da in London, also ich
    muß schon sagen, die ist echt klasse. Klartext: Ich sitze in Charles de Gaulle, in einer Art handgenähtem Air-France-Kokon aus Hermés—Zaumzeugleder, sehe CNN auf Französisch und
    warte, daß ich den nächsten Flug nach Moskau
    nehmen kann. Das Problem ist, aber dafür kann
    Sylvie nichts, daß irgendwas die Bomben—
    schnüffler mißtrauisch gemacht hat, und dadurch müssen sogar wir Oberfuzzis warten, bis wieder Flugzeuge fliegen können. Darum haben
    sie uns alle fünfe hier reingebracht, wo, wie
    ich ungern zugeben das beste kalte Büfett
    steht, das ich je erlebt habe, und außerdem
    machen sie eine Flasche Champagner nach der
    anderen für uns auf. Falls ich es noch nicht
    erwähnt haben sollte: seit den jüngsten Uner—
    freulichkeiten gehöre ich zu den Leuten, die
    der Gedanke ans Fliegen nicht gerade in Eupho—
    rie versetzt; darum bin ich ja auch mit der
    Bahn gefahren, als ich Darryl besucht habe.
    Aber so, wie sich die Ereignisse überstürzt
    haben, und angesichts dieses Ausmaßes an
    schierem Verwöhntwerden habe ich bislang kaum
    gemerkt, daß ich tatsächlich geflogen bin.
    Irgendwie war Amerika beim Eincheck-Schalter
    zu Ende. Und wenn die Schnüffler hier fertig
    sind, dann eile ich sogleich zu dir, es könnte
    allerdings sein, daß ich erst wieder alleine
    essen und mich waschen lernen muß. Es wäre
    hilfreich, wenn du dafür sorgen würdest, daß
    ich immer einen Vorrat von diesen kleinen
    heißen Handtüchern zur Verfügung gestellt
    bekomme. Danke noch mal.
     
    Sie versucht zu antworten, trifft aber wieder die falsche Taste.
    Als der Junge vorne am Tresen die Sache für sie in Ordnung gebracht hat, schreibt sie: War dort. Habe sie kennengelernt. Na ja, zumindest gesehen. Habe gesehen, wie sie arbeitet. Sie. Bin in einem Internetcafé und hab das alles noch nicht richtig verarbeitet. Schwer, darüber zu schreiben. Wozu auch, du bist ja zum Glück schon fast hier. Vielleicht sogar schon ganz, ich war noch nicht wieder im Hotel.
    In der Ferne ein Knall, oder eine Explosion. Sie blickt auf.
    Eine Sirene heult los, der Junge vom Tresen ist bereits an der Tür und schaut hinaus auf den Arbat, und plötzlich ist sie wieder im Auto, unterwegs zu Stonestreet, und sieht den Mo—torradfahrer auf dem Rücken liegen, wahrscheinlich mit Ge—nickbruch, sein Gesicht im Regen. Ein schierer Überfall der Sterblichkeit.
     
    Du sollst das hier haben, weil es bis jetzt
    niemand sonst hat:: [email protected]. Nicht die Filmemacherin, ihre Schwester.
     
    Senden.
    Sie trinkt den

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