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Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition)

Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition)

Titel: Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Malchow
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verziehen.
    Unsicher schleppen wir uns zurück in unser Holzchalet. Eigentlich wäre mir heute schon nach einem Bad in der Wanne der Penthousesuite des Mayak . Wäre sicher auch gut für Levis Hände. Und perfekt zum Wundenlecken. Die zahlreichen anderen Hotels und Pensionen in Listwjanka sind eher einfache, rustikale Unterkünfte. Die reichen Russen haben eigene, zum Teil opulente Ferienhäuser. Touristen müssen landestypisch einfach wohnen. Die meisten mit Plumpsklo und Holzofen. Was ja in Ordnung ist. Eigentlich.
    Bei Tara funktioniere ich die Dusche ohne Stöpsel unter Zuhilfenahme einer Windel zu einer Badewanne für Levi um. Der setzt begeistert das gesamte Bad unter Wasser und merkt fast nicht, wie ich immer mal wieder einen Splitter aus seinen schrumpeligen Händen herausoperiere. Mitten in einer besonders kniffeligen Operation sitzen wir auf einmal in pechschwarzer Dunkelheit. Auch das noch, denke ich, und Panik kriecht heute zum wiederholten Mal meinen Rücken hinauf. Der Blick aus dem Fenster gibt Gewissheit: Der ganze Ort hat keinen Strom. Levi plärrt, ich sehe nicht, warum, und taste nach der Stirnlampe, die mir nachts den Weg zur Toilette leuchtet. Damit ich Levi nicht aufwecke.
    Die Lampe hatte ich für das Chomolhari-Trekking in Bhutan gekauft. Einen Tag vor Abflug hatte ich erfahren, dass ich schwanger war. Die auf die Schnelle konsultierten Ärzte und Dr. Google gaben recht unterschiedliche Auskünfte hinsichtlich der Themen Langstreckenflug, Bergsteigen und Bekömmlichkeit von Höhenluft im ersten Schwangerschaftsdrittel. Einige, vorwiegend europäische, Quellen rieten komplett ab, einige wenige amerikanische Quellen hielten Aufstiege bis 2000 Meter Höhe für unbedenklich. Eine einzige medizinisch vertrauenerweckende Quelle hielt Aufstiege bis 4000 Meter bei hinreichender Akklimatisation für unbedenklich. Eine Quelle argumentierte, dass einige Völker ja ihr gesamtes Leben auf Höhen zwischen 5000 und 6000 Metern verbrächten und dort auch gesunde Kinder zur Welt kämen, und schlussfolgerte, dass eine langsame Akklimatisierung der Schlüssel sei. Solange die Mutter genug Luft bekomme, gehe es dem ungeborenen Leben auch gut, egal in welcher Höhe. Und ich hatte ja nicht vor, den Mount Everest zu besteigen. Das Base Camp des Chomolhari und somit der höchste Schlafpunkt der Tour liegt auf 4044 Metern Höhe. Als höchsten Punkt hatten wir den Sopusee auf 4400 Meter angepeilt. Aber der musste nicht sein, es gab alternative Routen. Noch im Flieger nach Delhi spielten wir mit dem Gedanken, einfach nach Goa zu fliegen und uns an den Strand zu legen.
    Die Stirnlampe hatte mir jede Nacht bei Minusgraden den Weg von unserem Schlafzelt zum mit Raureif überzogenen Toilettenzelt geleuchtet. Und jetzt trug ich sie wieder auf dem Kopf. Levi nicht mehr in meinem Bauch, sondern auf meinem Arm. Verwickelt in ein Mutter-Sohn-Zwiegespräch über den weiteren Verlauf der Reise.
    Werden wir übermorgen in München oder in Bolschije Koty sein?
    Ich weiß es nicht.
    Was für ein Tag.
    Zwei starke Frauen
    »Warum kann ich die Suite nur für eine Nacht mieten und nicht für drei?«, frage ich die Rezeptionistin des Hotels Mayak nun schon zum dritten Mal. Die lacht nur und sagt: »Nononooooo!« , als hätte ich irgendetwas völlig Absurdes von ihr verlangt.
    Der Blick auf Levis Hände heute Morgen hatte keinen Anlass zu größerer Besorgnis gegeben: fünfzehn schwarze Punkte und Striche, aber keine Wundflüssigkeit, keine Entzündung. Der Schreck saß noch in der Seele, aber es gab keinen Grund, fluchtartig Richtung München aufzubrechen. Der Verlauf der nächsten Tage war mir dennoch unklar: Sosehr vor dem gestrigen Tag der Reiz Bolschije Kotys in seiner Abgeschiedenheit gelegen hatte, so sehr gab genau diese Abgeschiedenheit nun Anlass zur Besorgnis. Schamane statt Arzt, vermutlich noch größere Sprachbarrieren als hier in Listwjanka, vielleicht kein Handyempfang, kein Hafenrestaurant zum gemütlichen Rumhängen.
    Also hatte ich mich selbst auf folgendes Spiel eingelassen: Wenn ich es schaffe, im Mayak für ein paar Tage ein schönes Zimmer anzumieten, in dem ich mit Levi Wunden lecken kann, bleiben wir in Listwjanka. Wenn nicht, besteigen wir morgen unser Fischerboot nach Bolschije Koty. Basta. Und: Ich wollte es nicht über Alexandra organisieren. Ich wollte es selbst schaffen.
    Und nun schienen die Würfel gefallen.
    Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Rezeptionistin zögert, weil ich ohne Meldeschein von einem

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