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Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition)

Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition)

Titel: Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Malchow
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winziges Reiskorn mehr. Alle fünf Gerichte waren großartig. Levi war zwischenzeitlich mit den zwei Kellnerinnen – wohin schon? – in der Küche verschwunden und hat mittlerweile an dem chinesischen Tisch Platz genommen. Wir verweilen noch eine Stunde und nehmen uns so gestärkt vor, das nächste Rikschaangebot anzunehmen.
    Unser Fahrer flucht und lacht, als er die anhand einer Hutongkarte ausgehandelte Tour in Spitzengeschwindigkeit zu absolvieren versucht. Denn: Über das Tempo haben wir uns ja nicht unterhalten. Die Versuche, ihn zu einem gemütlicheren Tempo zu überreden, scheitern. Vielleicht geht in Peking nichts langsam, oder das ist Geschäftstaktik. Auf jeden Fall verschaffen wir uns so im Eiltempo einen Überblick und sehen außer ein paar Bars, die wir abends ohne Levi besuchen würden, nichts, das uns zum Verweilen einlädt.
    Eigentlich sind die jeweiligen Touristenattraktionen eines Ortes nicht so mein Ding, aber da wir schon dabei sind, geben wir denen Pekings eine zweite Chance und steuern das als Geheimtipp empfohlene Stone Boat -Café im Rinta Park an. Es befindet sich in der Nähe unseres Hotels und wird als Oase der Ruhe gerühmt. Nach einer halben Stunde erfolgloser Versuche, auf der Straße ein Taxi anzuhalten, und mit platt gelaufenen Füßen bitten wir in einem Gemüseladen darum, uns eines zu bestellen. Mithilfe einer Zeichnung können wir uns verständlich machen, und so sitzen wir nach zwei Stunden und einer weiteren knapp überlebten Taxifahrt auf der Terrasse des Stone Boat -Cafés, trinken Ingwertee und füttern Levi köstliche home-made dumplings . Das Café liegt an einem kleinen See in einem Park oder Garten, der meditativen Charme ausstrahlt. Der Kontrast zu den Stunden davor könnte nicht größer sein.
    Neben uns sitzt eine junge chinesische Frau und liest. Auf der anderen Seite rahmen uns eine Chinesin und eine in Peking lebende Engländerin ein und sprechen über Marketing. Am Tisch gegenüber diskutiert eine generationenübergreifende sechsköpfige Gruppe schwäbischer Familienunternehmer, dass der chinesische Müll halt nicht zu ihren Verbrennungsanlagen passe. Der Versuch, nach China zu expandieren, scheint heute nicht erfolgreich gelaufen zu sein. Die zweite Runde Bier kommt.
    Statt eines Taxis reagiert ein Rikschafahrer auf mein Winken. Ich halte ihm den chinesischen Zettel mit den Hotelkoordinaten unter die Nase, er nickt und braust los. Ohne in die Pedale zu treten. Elektrorikscha.
    Der Fahrtwind weht uns um die Nase. Schön. Schnell. Ganz schön schnell!
    Als wir von gemütlichen baumgeschmückten Straßen in eine Hauptverkehrsader einfädeln und der Fahrer auch noch auf die Überholspur der Gegenfahrbahn – als Geisterfahrer – einbiegt, finde ich das gar nicht mehr schön. Levi krallt sich mit offenem, wortlosem Mund an mich und sucht mit Unsicherheit in den Augen meinen Blick. Ich schenke ihm ein »Mama hat alles im Griff«-Lächeln. Mit entspannten Singsangstimmen diskutieren Markus und ich, wie wir von dieser verfluchten Kamikazerikscha herunterkommen und warum zum Teufel wir eigentlich noch nicht da sind?
    Nach zwanzig Minuten und mehreren Beinahkollisionen mit Autos, die das Tempolimit mindestens um die doppelte Geschwindigkeit überschreiten, hält der Fahrer vor einem uns unbekannten Hotel und verlangt 150 Yuan.
    Wir zeigen auf den Zettel, er zeigt auf das Hotel. So geht das hin und her, und irgendwann sitzen wir wieder in der Rikscha und fahren als Geisterfahrer auf immer größeren Straßen durch die Pekinger Nacht. Ich halte nach Autotaxen Ausschau, die im direkten Vergleich zu diesem durchgeknallten Elektrorikscha-Fahrer in meiner Erinnerung golden glänzen. Leider erfolglos.
    Markus hat seine Nase weit aus der Rikscha gelehnt und sucht mit wegen des Fahrtwindes zusammengekniffenen Augen nach einem irgendwie bekannten Hochhaus. Manchmal dreht er sich zu uns um und probiert ein schiefes Lächeln. Levi strahlt.
    »Sollten wir das wider Erwarten überleben, werde ich nie, wirklich nie wieder in Peking eine Rikscha besteigen«, rufe ich in die neonbeleuchtete Nacht.
    »Das Gebäude kenne ich!«, antwortet Markus triumphierend.
    Zur Entspannung bekommt Levi noch original australische UGG Boots für fünf Euro aus dem Replica Market und Markus und ich eine gute Flasche italienischen Rotwein im auf spanische Tapas spezialisierten Restaurant Sureno . Während Levi friedlich im Maxi-Cosi neben unserem Tisch schlummert, fragt uns das verliebte junge chinesische

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