Mutproben
Bündnis mit Schill kritisieren, vermögen – unabhängig von der Kritik an seinem persönlichen Verhalten – nicht zu begründen, warum es inhaltlich schlecht gelaufen sein soll.
Politikerjahre III – Oder ein Ende mit Schrecken
Vielleicht hatte ich mir Schill selbst auch nur schöngeredet. Vielleicht, weil ich ihn schon aus früheren Tagen kannte und meinte, ich könne ihn einschätzen. Vielleicht aber auch, weil ich in beruflichen Dingen eine Hornhaut auf der Seele habe. Im Privaten bin ich recht verletzlich, was Freundschaften angeht oder auch Gefühle. Im beruflichen Bereich hingegen geht mir Zwischenmenschliches emotional kaum nah. Und möglicherweise habe ich die nahenden Gefahren dadurch unterschätzt.
Es passierte nach den großen Ferien im Sommer 2003. Bereits während meines damaligen Segelurlaubs hatte sich eine Situation um den Staatsrat Ronald Schills zugespitzt. Ein Mann, den ich persönlich sehr schätzte, ein erfolgreicher Rechtsanwalt, der von der SPD damals zur Schill-Partei gestoßen war. Ein intelligenter Mann und schlauer Jurist, der für Schill praktisch die Innenbehörde aus der zweiten Reihe heraus leitete. Um ihn kriselte es nun: Walter Wellinghausen hatte nach seiner Berufung zum Staatsrat Honorare von einer Radiologiepraxis erhalten und bekam zusätzlich Honorarzahlungen als Vorstand einer Briefkastenfirma. Wellinghausen bestritt die Vorwürfe und erläuterte, bei den Geldzahlungen, die von der Klinik im Jahre 2002 geflossen seien, handele es sich um Honorare aus dem Jahr 2001. Die Sache war öffentlich geworden und schlug nun hohe Wellen. Ich bekam während meines Urlaubs den Stand regelmäßig durchgegeben. Zu
Beginn dachte ich noch, mit einem Schuldeingeständnis und einer Entschuldigung könnte man aus der Sache heil herauskommen. Doch die Angelegenheit wuchs zu einem regelrechten Sturm heran, zumal ich zu Beginn meiner Amtszeit einen anderen Staatsrat wegen weitaus harmloseren Vorwürfen, die sich meiner Erinnerung nach dann nicht einmal bestätigten, entlassen hatte.
Nach meiner Rückkehr aus dem Urlaub war gleich am ersten Arbeitstag klar, ich müsste Schills Vertrauten in den einstweiligen Ruhestand versetzen. Ich bat Schill also zu mir ins Büro. Ich war überzeugt, dass er gerade als Law-and-Order-Mann extrem vorbildlich auftreten müsse, und wollte mit ihm darüber sprechen. Es war vormittags gegen halb zehn, als Schill eintrat. Wir sprachen kurz über den Urlaub, aber dann kam er von sich aus schnell zur Sache und mir damit zuvor. »Ich höre, du willst Wellinghausen entlassen?« Wir duzten uns, waren zwar nicht befreundet, aber vor Jahren hatten wir mal Brüderschaft getrunken. Ich bestätigte ihm also meine Absicht, Wellinghausen abzusetzen. »Das kannst du nicht«, erwiderte er daraufhin. »Wieso?«, fragte ich. »Rechtlich bin ich dazu befugt, und ich werde es auch tun. Und denk mal darüber nach, ob das nicht auch für dich so besser ist.« Wellinghausen sei eine Belastung. »Nein, ohne Wellinghausen geht das nicht. Der ist eine wichtige Stütze. Und außerdem kannst du das nicht.« Schill war auf Angriff getrimmt, sein Ton herausfordernd. »Warum soll ich das deiner Meinung nach nicht können?«, wollte ich wissen. Schill zurück: »Weil du einen Liebhaber zum Senator gemacht hast.« Ich war baff:
»Wen meinst du jetzt? Ich weiß nicht, wovon du redest!« Darauf Schill: »Du weißt genau, wen ich meine. Roger Kusch. Er ist dein Freund. Ich weiß es aus sicherer Quelle. Du hast mit ihm eine sexuelle Beziehung und du hast ihn zum Justizsenator gemacht.« Einen Moment lang herrschte Stille. Dann setzte Schill wieder an: »Wenn du Wellinghausen entlässt, dann bist du geliefert. Dann bist du dein Amt los.« Ich war fassungslos und fragte noch mal nach, was genau er damit meine. »Wenn das mit Wellinghausen passiert«, so Schill, »dann werde ich heute der Öffentlichkeit mitteilen, was ich aus sicherer Quelle weiß: dass du nämlich deinen Freund und Liebhaber zum Senator gemacht hast und dein Amt für persönliche sexuelle Beziehungen und Neigungen missbraucht hast. Kusch lebt in deiner Wohnung und dafür habe ich Zeugen.« Ich fragte ihn, ob er mich erpressen wolle. »Heute Abend, Primetime!«, fügte Schill noch mit drohender Geste hinzu. Es war also klar: Er wollte mich, unjuristisch gesagt, erpressen. Ich sagte ihm, dass der Vorwurf Unsinn sei und absurd, und dass ich mich von niemandem erpressen lasse. Schließlich wurde ich laut: »Raus, verlass sofort das
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