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Mutproben

Mutproben

Titel: Mutproben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole von Beust
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CDU, und es gab die Freunde aus dem Jurastudium. In der Partei ahnte man damals wohl, dass ich schwul bin, direkt gefragt hat mich allerdings nie jemand. Und von mir aus habe ich auch nichts erzählt.
    Meine Eltern waren auch in dieser Hinsicht zum Glück sehr liberal. Neben der großzügigen Grundeinstellung mag es mit daran gelegen haben, dass sie in den Dreißigerjahren einen homosexuellen Freund hatten, der sich das Leben nahm. Das führte auf der einen Seite zu einer großen Offenheit im Umgang mit diesem Thema und zu einer Abscheu gegen jegliche Diskriminierung. Gleichzeitig machte sich meine Mutter durch diese Erfahrung im Freundeskreis Sorgen, dass man es als Homosexueller im Leben schwerer haben würde.
    Durch einen Zufall erfuhr meine Mutter relativ früh von meiner Orientierung. Sie hatte einen für einen Freund bestimmten Brief von mir entdeckt und ihn heimlich gelesen. Ich war damals sehr verliebt in ihn und hatte ihm darin meine
Liebe gestanden. Sie sprach mich darauf also eines Tages an. Das Ganze fand sie moralisch völlig unerheblich, doch sie machte sich Sorgen um mögliche Ächtungen und um die Einsamkeit, die ein Leben ohne eigene Familie bringen würde.
    Meinem Vater hingegen hatte sie zunächst von alledem nichts erzählt. Er sprach mich von sich aus direkt darauf an, als meine Mutter einmal ihre Schwester in den USA besuchte und wir allein zu Hause waren. Ich hatte mir ohnehin immer vorgenommen, von mir aus wenig über meine Veranlagung zu sprechen, wenn ich aber gefragt würde, wollte ich die Wahrheit sagen. Und so gab ich es unumwunden zu. Mein Vater sagte dann kurz, dass ihm das schon lange klar gewesen sei und dass ich mir keine Gedanken machen müsse, ihm sei das nämlich vollkommen egal. Die Natur sei eben so. Ob mein Vater nur mir gegenüber so lässig und unkompliziert damit umgegangen ist, sich insgeheim aber doch mehr Gedanken darum machte, weiß ich nicht. Aus Andeutungen meiner Mutter ahne ich, dass er besorgter war, als er es mir gegenüber geäußert hatte.
    Später, als ich Fraktionsvorsitzender werden sollte, hat mein Vater noch einmal mit mir über meine Homosexualität gesprochen. Er sagte zu mir, ich dürfe nie bestreiten, wer oder was ich sei. Ich müsse es von mir aus zwar nicht sagen, aber sollte ich darauf angesprochen werden, dürfte ich nicht lügen. Das war generell sein Credo: Eine Lüge in der Kleinigkeit ist schlimmer als der größte Fehler. Er hatte ein Lieblingsbuch, das hieß »Macht und Recht«, und es handelte von einem Präsidenten, der sich nach einer anfänglich kleinen Lüge immer
tiefer in einem Lügennetz verfing und so letztlich durch eine Lappalie scheiterte. Mein Vater war kein Moralapostel, es ging ihm dabei auch nicht um Moral. Er zeigte mir damit nur, wie es kommen kann, wenn man sich einmal auf dieses Glatteis begibt. Das habe ich mir sehr zu Herzen genommen.
    Obwohl ich selbst wegen meiner Homosexualität nie in Schwierigkeiten geriet, zeigten mir einige Erlebnisse doch sehr deutlich, dass dieses Thema längst noch nicht seine Brisanz verloren hatte. Da gab es zum Beispiel diesen Anruf. Irgendwann in den Neunzigern. Ich war gerade Abgeordneter der CDU in Hamburg geworden, als mich dieses anonyme Telefonat erreichte. Eine Stimme ließ verlauten, dass ich in einem gewissen Lokal gesehen worden sei und dass man nun wohl eine Publikation in Erwägung ziehe. Nur das, nichts weiter. Keine direkte Erpressung, nur diese Mitteilung. Mir fuhr es damals kurz durch die Glieder. Aber andererseits hatte ich auch nichts Gesetzeswidriges getan. Was also sollten sie schon schreiben? Zwei, drei Tage hatte ich damit zu kämpfen, machte mir Sorgen. Ich fühlte mich irgendwie belauert, doch es kam nichts weiter und ich vergaß es auch wieder.
    Als ich dann Spitzenkandidat werden sollte, machten Gerüchte und »gut gemeinte« Andeutungen die Runde: Die Zeitung XY hätte ein Dossier über mich und man warte nur auf einen Anlass, diese angeblich pikanten Informationen zu veröffentlichen. In der Partei wurde besprochen, ob dies für die CDU ein Problem darstellen könne. Doch davon spürte ich nie etwas, und es verebbte irgendwann sang- und klanglos wieder. Mir gegenüber waren alle immer sehr nett und verständnisvoll.
Was geredet wurde, wenn ich nicht dabei war, das weiß ich natürlich nicht.
    Es gab freilich ziemlich skurrile Gerüchte. Davon dann unendlich viele. Gerade, wenn man ein Spitzenamt bekleidet, muss man nun einmal damit rechnen. So sprach mein Vater mich

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