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Mutproben

Mutproben

Titel: Mutproben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole von Beust
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Gladiator. Aus den Lautsprechern dröhnte rhythmische Musik, die Menschen klatschten im Takt und versuchten, mich zu umarmen. Es war wie ein surrealer Film, der in doppelter Geschwindigkeit vor mir ablief. Ich war der Magnet in der Menge, auf den sich tausend leuchtende
Augen stürzten. Zwei Frauen waren geradezu ekstatisch und versuchten immer wieder auf die Bühne zu klettern. Mir war das alles zu viel.
    Ich wollte schnell wieder weg. Zu meinem Fahrer hatte ich schon beim Heranfahren gesagt, er solle mit dem Wagen am Seitenausgang auf mich warten. Ich bedankte mich also bei den Parteifreunden und Wählern und verabschiedete mich mit einer kleinen Notlüge: Ich müsse dringend nach Berlin, dort hätte ich noch eine Sitzung. Das war zwar nur die halbe Wahrheit, denn die Sitzung fand erst am nächsten Morgen statt, aber es funktionierte. Ich verschwand durch den Seitenausgang, und weg waren wir.
    Was hätte ich getan, wäre bei dieser Wahl kein Sieg eingefahren worden? Schließlich hätte ja durchaus auch Rot-Grün gewinnen können. Dann wäre ich mit dem Stigma Schills und ohne die absolute Mehrheit, die ja im Nachhinein auch vieles relativierte, von der politischen Bühne getreten. Zumindest in Hamburg wäre für mich nichts mehr zu holen gewesen. Meine Idee war es, vielleicht nach Brüssel zu gehen als Europa-Abgeordneter. Den Bundestag selbst fand ich nie so anziehend. In Berlin und früher noch in Bonn, da ist man einer von vielen. In Brüssel aber wäre ich der CDU-Mann aus Hamburg gewesen, weitgehend unabhängig, und ich hätte in Ruhe arbeiten können. Außerdem hätte mich auch die internationale Ebene interessiert – schließlich war ich aus Hamburg noch nie rausgekommen. Aber konkrete Angebote gab es nicht. Kurz vor dem Tag der Wahl hatte ich ein Essen mit Angela Merkel im Elysee-Hotel am Rothenbaum. Da sagte sie zu mir: »Mensch,
wir müssen gucken, falls das schief geht, ob wir irgendetwas anderes für dich finden.« Aber das war mehr freundlich dahergesagt. Vielleicht hätte sie sich auch bemüht. Doch zum Glück musste ich auf ihr Angebot nach dieser Wahl nicht zurückkommen.

Politikerjahre V – Oder das schwarz-grüne Experiment
    Meine ersten Annäherungsversuche waren ins Leere gelaufen. Es war das Jahr 1993, gerade erst war ich Fraktionsvorsitzender der Hamburger CDU geworden, als ich Schwarz-Grün ins Gespräch brachte. Und schon hatte ich mir einen Korb eingefangen. Ein Jahr später bekam ich dafür einen Bagger geschenkt von Krista Sager, weil ich, wie sie damals meinte, doch ziemlich unverhohlen an ihr herumgebaggert hätte. Es war ihr Abschiedsgeschenk an mich, denn sie verließ Hamburg in Richtung Bonn, um künftig als Sprecherin des Bundesvorstandes von Bündnis 90/Die Grünen tätig zu sein. Ganz falsch lag sie natürlich nicht mit ihrer Einschätzung. Aber auch nicht ganz richtig. Der Bagger jedenfalls war ein geglücktes Geschenk, über das ich mich damals sehr amüsiert habe. Und ein bisschen fasste ich es auch als Kompliment auf für meine Bemühungen um neue Bündnisse.
    Die CDU jedenfalls war damals Oppositionspartei. Wie schon erwähnt, ohne wirkliche Chancen und Hoffnungen auf eine Regierungsverantwortung in der Hansestadt. Wir hatten keine Machtoptionen, die FDP war viel zu schwach damals, die SPD als jahrzehntelange Regierungspartei war nicht verlockend. So rückten die Grünen in mein Blickfeld, die neu waren und irgendwie auch spannend. Ich startete erste zarte Versuche der Annäherung, äußerte mich zunächst aber doch nur zurückhaltend zu schwarz-grünen Gedanken. Aber ich sah in den Grünen die einzige Partei, die Elan versprühte, und
ich hoffte natürlich, dass dieses Image der Modernität auch auf die CDU abfärben könnte.
    Mir war klar, dass hierdurch noch keine Mehrheit zu bekommen sei. Weder bei den Grünen, die die CDU für einen Haufen reaktionärer Politbonzen hielten; noch bei der CDU – dort schon gar nicht, weil wiederum die Grünen in den Augen der großen Mehrheit damals eine Mischung waren aus Teufelsanbetern und Traumtänzern. Sie zählten ganz klar zum »Klassenfeind«. Aber ich wollte einfach mal sehen, wie die Reaktionen auf meinen Vorstoß ausfallen würden. Später dann unterstützte ich diskret die ersten schwarz-grünen Koalitionen in den Stadtteilen Altona und Harburg und versuchte zusammen mit ein paar Kollegen, die CDU auf die Großstadt einzurichten. In der Drogenpolitik etwa, in der Sozialpolitik und bei Integrationsprojekten.
    Insofern hatte

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