Mutproben
eines Tages darauf an, dass ihm aus sicherer Quelle gesteckt worden sei, ich wäre in der Öffentlichkeit in Frauenkleidern gesehen worden. Angeblich habe mich die Polizei aufgegriffen und hätte wohl auch meine Personalien aufgenommen. Aber da ich in der CDU ein bedeutendes Amt bekleidete, sei die Sache nicht weiter problematisiert worden. Das war zwar alles dummes Zeug, mein Vater aber ließ sich kaum davon abbringen, dem etwas Wahres abgewinnen zu wollen. Schließlich hätte er es doch aus ganz sicherer Quelle erfahren, irgendetwas müsse also dran sein. Und ich versuchte ihm klarzumachen, dass die sicherste Quelle doch immer noch ich selbst sei.
Ein bisschen ist es mit diesen Geschichten wie in dem berühmten Bild von A. Paul Weber: Das Gerücht . Zunächst fängt es ganz klein an, und langsam wächst es zu etwas Gewaltigem heran. Je mehr die Menschen es weitertratschen, desto glaubhafter erscheint es und umso überwältigender wird es. Ich habe später so unendlich viele Dinge über mich und andere Kollegen gehört – der Einfallsreichtum, die Bösartigkeit und Klatschsucht kennen da kaum Grenzen. Am besten ist es doch, man versucht diesen Unsinn gar nicht erst an sich herankommen zu lassen. Doch selbst wenn alles Unsinn ist, muss man irgendwann anfangen zu dementieren, und dann
steckt man eigentlich schon in der Falle. Denn ist die eine Sache gerade erledigt, kommt auch schon das nächste Gerücht auf. Und sagt man dann nichts, heißt es gleich, diesmal müsse aber nun wohl wirklich etwas dran sein, sonst hätte man es ja wie zuvor auch schon dementiert. Der widerliche und denunziatorische Spruch »Wo Rauch ist, da ist auch Feuer«, der feiert immer gerade, wenn man etwas bekannter wird, fröhliche Einstände.
Ende vom Anfang
Ich habe in meinem Leben immer viel Zuspruch und Loyalität erfahren. Und ich war froh darüber, dass mir viele auch während und nach der Affäre Schill so anständig zur Seite gestanden sind. Es hätte auch heißen können: Oh Gott, oh Gott, jetzt lassen wir dich fallen. Denn es war ja eine durchaus riskante Situation. Nicht nur für uns als Partei, sondern für alle Regierungsbeteiligten. Auch die FDP hat sich im höchsten Maße anständig verhalten und mich gestützt, obwohl sie wohl die größte Leidtragende des Ganzen war.
Meinem Vater gefiel das alles gut. Er fand es richtig, dass man nicht um jeden Preis an der Macht hängt. Und so war es für ihn auch eine Frage der Ehre, dass ich mich nicht habe erpressen lassen. Um so stolzer war er, dass die Zeitungen nach dem Knall voll des Lobes waren für mich. Und auch die Menschen in Hamburg schienen hinter mir zu stehen. Schill war weg, ich war der Drachentöter, der Spuk war vorbei. In dieser
Stimmung schwebte ich damals. Es war gigantisch, das muss ich mir ehrlich zugestehen. Und in dieser Euphorie dachte ich tatsächlich, dass man die Koalition vielleicht noch retten könnte. Schließlich hatte man auch eine Verantwortung den eigenen Leuten gegenüber und seinen Koalitionspartnern. Nur die Opposition, die SPD und die Grünen, kochten vor Wut. Sie verstanden nicht, wie ich Schill zu dem machen konnte, was er war, dass ich ihm dann gewissermaßen den Todesstoß verpasste und dafür schließlich bejubelt wurde.
Mario Mettbach ersetzte Ronald Schill als Zweiten Bürgermeister, Dirk Nockemann wurde Innensenator, und so lief es zunächst fort.
Die Schill-Partei begann, sich selbst zu zerlegen. Die Partei zerstritt sich mehr und mehr und drohte schließlich auseinanderzubrechen. Eine Krisensitzung jagte die nächste. Die Zusammenarbeit im Senat war davon zunächst unberührt, das zunehmende Image der Schill-Partei als Chaostruppe zog aber die gesamte Koalition im öffentlichen Ansehen stark in Mitleidenschaft. Zudem wurde jede Parlamentsabstimmung zu einem Risiko. Die »Schillfraktion« stand nicht mehr einheitlich beisammen und war bei Abstimmungen unkalkulierbar geworden.
Es wurde immer deutlicher, dass ich den Moment des Triumphs, den Rausschmiss Schills, nicht unendlich in die Länge ziehen konnte. So setzte ich Neuwahlen an. Wieder einmal ohne große Absprache, eher aus der intuitiven Entscheidung heraus, dass ein noch längeres Warten meine persönliche Glaubwürdigkeit und die der CDU gefährden würde. Einige Führungspersönlichkeiten
in der Union waren überhaupt nicht begeistert davon. Es gebe eine alte politische Weisheit, und die besage nun einmal: Wenn man die Macht einmal innehat, gibt man sie freiwillig nie auf. Doch
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