Mutproben
ich den Bagger durchaus verdient, denn dies ist sicher als der Grundstein unserer späteren Zusammenarbeit zu sehen. Fünfzehn Jahre nach meinem ersten Annäherungsversuch wurde tatsächlich etwas daraus, immerhin die erste schwarz-grüne Koalition auf Landesebene. Wie ich finde, eine sehr gelungene Zusammenarbeit, die ein anderes Ende verdient gehabt hätte.
Neue Machtoption
2008 war einfach die Zeit reif für Schwarz-Grün. Die Klientel, die Wählergruppen waren im Laufe der Jahre doch sehr
ähnlich geworden. Beide sprachen wir die bürgerliche Mitte an. Wenn die Großeltern noch die CDU gewählt hatten, so machten die Enkel ihr Kreuzchen nun bei den Grünen. Letztlich war das in meinen Augen eine recht homogene Gesellschaftsschicht. Vor allem war es für die CDU damals wichtig, vom Image einer reinen Law-and-Order- und Wirtschaftspartei auch mit Begriffen wie Nachhaltigkeit und Generationenverantwortung verbunden zu werden. Ganz unabhängig von Hamburg war diese Öffnung strategisch immanent wichtig, Ökonomie mit Ökologie zu vereinen.
Was im Privaten vielleicht nicht gerade ratsam ist, das wird für eine Partei und im Beruf doch überlebenswichtig: Man muss sich Optionen offen halten. Wer alles auf eine Karte setzt, der geht letztlich ein zu hohes Risiko ein und macht sich angreifbar. Für die CDU bedeutete das ganz klar, sich neben der FDP noch eine zweite Tür offen zu halten.
Was im ersten – noch nicht ganz so ernst gemeinten – Anlauf scheiterte, das wurde von der CDU auf dem Parteitag 2008 einstimmig beschlossen: die Bereitschaft zur Koalition mit den Grünen. Allerdings galt auf Bundesebene weiterhin die Doktrin, dass hier eine Koalition mit den Grünen nicht infrage käme. Nur: Wenn alle wissen, dass es eigentlich eine Option ist, ist es doch absurd, diese Option kategorisch auszuschließen. Es wäre vielleicht eine Frage des Mutes gewesen, auch auf Bundesebene die Chance beim Schopfe zu packen und sich klar dazu zu bekennen. Tatsächlich aber wollte man die eigenen Leute nicht verschrecken und intern keinen Ärger anzetteln. Ich persönlich finde es klüger, niemals nie zu sagen,
insbesondere, wenn eine Wahl ansteht. Anschließend fehlen einem dann nämlich wieder die Optionen, die man insgeheim nutzen wollte, sich aber öffentlich nicht getraut hatte, das auch zu sagen. Ich habe das kurz vor der Wahl 2008 erlebt: Im Januar traf sich das CDU-Präsidium zu einer Klausurtagung. Die Wahlen in Hessen und Hamburg standen bevor und die Spitzenkandidaten sollten berichten. Ich nannte also mein Wahlziel: Verteidigung der absoluten Mehrheit. Aber ich stellte auch, für den Fall, dass dies nicht gelingt, die schwarz-grüne Möglichkeit als die wahrscheinlichste dar. Spontan nahmen es alle Präsidiumsmitglieder hin. Doch schon am nächsten Tag wurde öffentlich beherzt dementiert mit der Begründung, man wolle die eigenen Leute nicht verunsichern. Ehrlicher, und nebenbei auch praktischer wäre es doch, die Karten auf den Tisch zu packen und die Möglichkeiten, die man im Sinn hat, doch dann auch klar zu benennen. Insbesondere, wenn es die Spatzen ohnehin schon von den Dächern pfeifen.
Bereits während der ersten Verhandlungsgespräche zur gemeinsamen Koalition spürte ich, dass es die richtige Wahl gewesen war, diese Koalition mit ins Spiel zu bringen. Die Grünen waren mir auf Anhieb sympathisch. Es waren zum Gutteil idealistische Leute, die – zunächst mal unabhängig vom Inhalt – stark an Politik interessiert waren. Eigentlich sollte man ja meinen, das gelte für jeden Politiker. Aber in der Politik habe ich oft Menschen erlebt, die ihren Beruf als reines Instrumentarium der Inszenierung nutzen, als Mittel des Machterhalts, des Geldverdienens, des Dabeiseins. Viele
in der Politik sind an den Begleiterscheinungen mehr interessiert als an der eigentlichen Aufgabe. Die großen Parteien etwa, wie die SPD und die CDU, das sind generell sehr machterprobte Parteien, in denen der Machterhalt, für den auch ich optiere, eine größere Rolle spielt als politische Themen. Bei den Grünen war das – zumindest in Hamburg – anders. Da saßen Menschen, die sich ernsthaft für die Politik interessierten, wenngleich ich anderer Meinung war als sie.
Ihr Idealismus war ansteckend und erfrischend. Man sah »noch das Leuchten in ihren Augen«, was durchaus nerven konnte, was ich aber auch bewunderte. Ich bemerkte an mir, dass ich selbst mit den Jahren dieses Leuchten verloren hatte. Politik war für mich weitgehend
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